: Diplomat mit Witz und scharfer Zunge
Sergei Lawrow wechselt vom New Yorker Hauptsitz der Vereinten Nationen ins russische Außenministerium
In die Schlagzeilen brachte es die Person Sergei Lawrows bislang nur einmal. Im vergangenen September widmete die Tageszeitung Iswestija dem langjährigen Botschafter Russlands bei den Vereinten Nationen ihre Frontseite. Es ging nicht um die Interessen seines Landes, sondern um seine ureigenen. Der 53-jährige Kettenraucher hatte sich lautstark gegen das von UN-Generalsekretär Kofi Annan verhängte Rauchverbot verwahrt. „Der Generalsekretär ist nur ein angestellter Verwalter“, sagte Lawrow, „die Vereinten Nationen gehören aber allen Mitgliedsstaaten.“ Kofi Annan soll auch der Erste gewesen sein, der dem am Dienstag gekürten russischen Außenminister zum neuen Amt gratulierte: Lawrow sei ein Freund, dessen Witz und Weisheit er zu schätzen gelernt habe.
Insgesamt siebzehn Jahre vertrat der gelernte Diplomat Russland bei den Vereinten Nationen. Zuerst in den 80er-Jahren, die letzte Dienstreise 1994 verschlug ihn dann gleich für zehn Jahre nach New York.
Die geschwundene internationale Rolle der ehemaligen Supermacht bekam der Emissär deutlich zu spüren. Im Konflikt um Serbien und das Kosovo konnte sich Russland kein Gehör verschaffen. Auch den Angriff der USA und ihrer Verbündeten auf Saddam Husseins Regime im Irak konnte Moskau trotz der Unterstützung aus Berlin und Paris nur nolens volens hinnehmen.
Dennoch hat der Streit um den Irak Lawrows Karriere befördert. Präsident Wladimir Putin soll damals auf ihn aufmerksam geworden sein. Dem stets elegant gekleideten Diplomaten wird nachgesagt, ein geschickter und redegewandter Unterhändler zu sein, der in der Sache aber nicht nachgibt.
Die Berufung auf den Regierungsposten wird an der russischen Außenpolitik indes wenig ändern. Sie wird ohnehin im Kreml entworfen. Weder sein Vorgänger Igor Iwanow noch Lawrow sind in der Umbruchszeit der 90er-Jahre – als einem eigenständigen Profil noch nicht der Geruch einer Palastrevolte anhaftete – durch Kreativität aufgefallen.
Nach dem Studium 1972 schickte ihn der sowjetische Dienstherr für einige Jahre auf einen zweitklassigen Posten – an der Botschaft Moskaus in Sri Lanka. Danach leistete er mehrere Jahre Ministerialdienste in der Zentrale des Außenministeriums. Seine Spitzzüngigkeit im Außendienst hat er nie abgelegt, falscher Respekt auf internationalem Parkett ist auch nicht seine Sache. Und im Vergleich zu den anderen Mitgliedern der Putin-Entourage soll er durchaus einen eigenen Willen besitzen. Das ist inzwischen in Russland nicht mehr ganz ungefährlich. Kremlchef Putin wird den gestandenen Internationalisten unterdessen nicht zufällig zum Minister erkoren haben. Lawrow verkörpert in Habitus und Auftreten den „Westler“, jenen zivilisierten Antityp, den Russland braucht, wenn es nicht wieder ins Abseits geraten will und eines Tages doch noch in die Weltwirtschaft integriert werden möchte. KLAUS-HELGE DONATH