piwik no script img

Archiv-Artikel

EZB senkt Leitzins und Prognose

Die Zinsen im Euroraum sind nun bei 2,5 Prozent – und immer noch höher als woanders

BERLIN taz ■ Verstehe einer die Experten der Europäischen Zentralbank: Am Donnerstag senkten sie zuerst den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent. Dann nahmen sie ihre Konjunkturprognose für 2009 zurück und reihten sich ein in die Schar derjenigen, die ein reales Schrumpfen der Wirtschaft erwarten: Sie erwarten nun im kommenden Jahr ein Minuswachstum von 0,5 Prozent, im September waren sie noch von einem ordentlichen Plus von 1,2 Prozent ausgegangen.

Die Doppelbotschaft war nicht dazu angetan, die Anleger auf den Märkten zu beruhigen: Der DAX tendierte nach der Entscheidung erst einmal ins Minus. Die Zinssenkung war zwar für EZB-Verhältnisse relativ deutlich – bislang hatte sie sich nur in 0,25er- bis 0,5er-Schritten bewegt. Trotzdem hatten viele Experten auf entschlossenere Maßnahmen gehofft, die durch die Rezessionsprognose auch gut hätten begründet werden können. Die Notenbanken in Großbritannien und Schweden trauten sich mehr: Die Briten senkten den Leitzins um 1, die Schweden sogar um 1,75 Prozentpunkte. In beiden Ländern beträgt er jetzt 2 Prozent. In den USA liegt der Leitzins sogar bei 1 Prozent.

Trotzdem waren die Reaktionen geteilt. Dierk Hirschel, der Chefökonom des Deutschen Gewerkschaftsbundes, erklärte, die Senkung hätte „deutlicher ausfallen müssen“. Ziel müsse es sein, mit den USA gleichzuziehen. Auch der Sparkassen- und Giroverband sah „Spielraum für eine weitere Lockerung“.

Andere wiederum waren froh, dass „überhaupt etwas passiert“. „Alles nützt im Moment“, sagte Bernd Weidensteiner, Analyst bei der Commerzbank. Hans-Werner Sinn, der Chef des Ifo-Instituts, meinte, die Europäische Zentralbank habe richtig gehandelt. Sie dürfe „nicht das ganze Pulver auf einmal verschießen“.

In der Tat hat die EZB bislang keine Idee gezeigt, was sie tun will, wenn der Zins bei null ist und die Wirtschaft noch Stimulierung braucht. Das sei jedoch kein Grund, jetzt nicht zu handeln, meinte Erik Nielsen von Goldman Sachs. BEATE WILLMS