Ideologische AKW-Sau

Energiepolitik in den Landtagen von Kiel und Hannover: Regierungskoalitionen tun sich schwer mit der Abschaltung von AKWs – auch nach den Anschlägen von Madrid

Kiel / Hannover taz ■ „Wenn man über terroristische Anschläge auf Atomkraftwerke diskutiert, darf man das nicht ohne Hinweis auf die Attentate in Madrid tun“, sagte die grüne Fraktionschefin Rebecca Harms gestern im Landtag in Hannover. Thema war – wie im Kieler Landesparlament – die Sicherheit der Atomkraftwerke (AKW) im Land. Während es im hohen Norden vor allem um den Meiler in Brunsbüttel geht, gibt es in Niedersachsen kein AKW, dass laut Wolfram König, Präsident des Strahlenschutzamtes, zu den fünf Atommeilern in Deutschland gehört, die vorzeitig vom Netz genommen werden sollten – weil sie schlecht gegen terroristische Angriffe geschützt sind. Aber die Grünen halten die Technik für „nicht beherrschbar“.

Die Regierungen in Hannover und Kiel tun sich mit dem „Abschalten“ schwer. Die schleswig-holsteinische Sozialministerin Heide Moser (SPD) wartete gestern noch auf „eine Entscheidung des Bundesumweltministers“. Die Studie der Bundesanstalt für Reaktorsicherheit, in der die Abschaltung von Brunsbüttel ebenfalls empfohlen wird, reicht der Ministerin für konkrete Schritte nicht aus.

Für FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki ist das Verhalten Mosers ein „Stück aus dem Tollhaus“. Drei Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001, argumentiert Kubicki, habe die Regierung „nichts getan“. Da werde Verantwortung von Kiel nach Berlin abgewälzt, meint der Liberale. Und dass die „Koalition versucht, die Menschen zu verunsichern, um ihre Atompolitik durchzusetzen“.

Ähnlich argumentiert auch CDU-Oppositionsführer Martin Kayenburg, der allerdings den Bundesumweltminister als Hauptschuldigen ausgemacht hat. „Trittin jagt die ideologische Sau durchs Dorf und treibt sein Spiel mit der Angst der Bürger“, so Kayenburg. Dabei müssten die Bürger gar keine Angst vor Angriffen auf das Kraftwerk haben. Schließlich habe der Betreiber Vattenfall ein gutes Sicherheitskonzept für den Meiler. Die Abschaltung sei „innerhalb von Sekunden“ möglich: „Die Wahrscheinlichkeit eines GAU in Brunsbüttel ist damit minimal“, glaubt Kayenburg.

Ohnehin ist die CDU nicht allzu zufrieden mit der Energiepolitik der Landesregierung. Diese will bis 2010 die Kohlendioxid-Emissionen um 15 Prozent gegenüber 1990 senken und die Abschaltung der Kernkraftwerke – Brunsbüttel soll 2009 vom Netz gehen – durch Windkraft und eine „effiziente Nutzung“ von Kohle und Gas kompensieren. Die CDU im Landtag glaubt nicht, dass das funktioniert. Durch neue Kohlekraftwerke würde die Regierung die Klimaschutzziele „dramatisch verfehlen“, so der CDU-Energieexperte Trutz Graf Kerssenbrock. Als Alternative schlage er vor, die „Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern“. T. Schröder
/ KSC