GUANTÁNAMO: AUCH ENGLANDS REGIERUNG SCHRÄNKT GRUNDRECHTE EIN
: Deals statt demokratischer Grundsätze

Die Freilassung der fünf Briten aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba sei ein Schritt in die richtige Richtung, meinte der britische Innenminister David Blunkett. Diesen Erfolg will er sich ans eigene Revers heften.

Dem Innenminister ging es um eine PR-Aktion. Die Verwandten der „Terror-Touristen“ – wie sie von Blättern wie Sun und Times auch nach ihrer Freilassung noch bezeichnet werden – haben nämlich in letzter Zeit immer lauter auf die Menschenrechtsverletzungen in Guantánamo hingewiesen. Blunkett machte mit der US-Regierung daher ein Geschäft: Im Tausch gegen die Freilassung der fünf setzt er sich dafür ein, dass die anderen vier Briten, die noch auf Kuba einsitzen, vor ein US-Militärgericht gestellt werden dürfen, weil „die Beweise, die man zutage gefördert hat, besser in den USA und nicht in Großbritannien zu verwenden“ seien.

Er vergaß zu erwähnen, dass die so genannten Beweise, die die USA zufällig während Blunketts US-Besuch vorlegten, vor einem britischen Gericht überhaupt nicht zulässig wären, weil sie nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln zustande gekommen sind.

Dieses Hindernis möchte Blunkett in Großbritannien langfristig gerne abschaffen. In England sitzen zurzeit 14 Ausländer ohne Anklage ein, weil man sie des Terrorismus verdächtigt. Wenn es nach Blunkett geht, soll man ihnen die Schuld nicht mehr zweifelsfrei nachweisen müssen, sondern sie aufgrund einer „Abwägung von Wahrscheinlichkeiten“ verurteilen können.

Die Notstandsgesetze, die er ausgeheckt hat, geben den Politikern freie Hand, alle möglichen Grundrechte einzuschränken. Die Minister müssen lediglich nachweisen, dass die Maßnahmen notwendig und der Bedrohung angemessen sind. Wie das mit den Beweisen funktioniert, hat die britische Regierung eindrucksvoll beim Irakkrieg demonstriert.

Noch ist die Bevölkerung bockig, sie hängt an ihren Grundrechten. Da muss man bisweilen die Hysterie etwas schüren – vielleicht, indem man Flüge in die USA aus Sicherheitsgründen streicht, wie in diesem Jahr mehrfach geschehen? Oder indem man regelmäßig betont, dass ein Anschlag in London unmittelbar bevorstehe? Es käme Blunkett sehr gelegen, wenn die gestrigen Anschläge von Madrid nicht das Werk der ETA, sondern von al-Qaida wären.

Der Innenminister sagte während seiner US-Reise vor Studenten der Harvard-Universität, dass man bei der Verteidigung der Demokratie nicht vergessen dürfe, die Grundsätze zu beachten, die es die Demokratie überhaupt wert machen, verteidigt zu werden. Ach? RALF SOTSCHECK