SÜDKOREAS POLITISCHE KULTUR IST NACH WIE VOR UNTERENTWICKELT
: Eine gespaltene Gesellschaft

Südkoreas Präsident Roh Moo Hyun hatte immerhin angekündigt, im Wahlkampf die ihm nahe stehende Uri-Partei zu unterstützen – auch wenn dies die Neutralitätspflicht verletzt. Andere in seiner Position sagen das nicht laut, verhalten sich aber genauso. Roh wurde für seine Ankündigung zu Recht von der Wahlkommission gerügt. Damit hätte die Sache erledigt sein können. Denn der Skandal ist minimal, besonders im Vergleich zu den Vergehen anderer Präsidenten des Landes.

Chun Doo Hwan und Ro Tae Woo wurden zum Tode verurteilt – und später amnestiert. Der mit dem Friedensnobelpreis geehrte Kim Dae Jung erkaufte sich das Treffen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Il heimlich mit einem Dollarbetrag in dreistelliger Millionenhöhe. Korruption gibt es auch in Rohs Umfeld – aber im Vergleich zu seinen Gegnern ist der Präsident eher sauber. Dass ihm trotzdem Amtsenthebung droht, liegt – neben seiner Ungeschicklichkeit und dem laufenden Wahlkampf – an einer doppelten Spaltung: Südkorea ist inzwischen technisch hoch entwickelt, aber trotz Demokratisierung in seinen politischen Umgangsformen noch längst nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Mehr als 70 Prozent aller Haushalte haben einen Hochgeschwindigkeitszugang zum Internet. Das Bezahlen per Handy ist alltäglich. Doch politische Konflikte werden immer noch mit viel rituellem Theater und – gelinde gesagt – sehr konfrontativ ausgetragen.

Darüber hinaus wird das Land von einem Generationskonflikt gespalten, der klassische Rechts-links-Konflikte verstärkt. Roh ist trotz seiner 57 Jahre Präsident der unter 40-Jährigen. Diese in Südkorea „386“ genannte linksliberale Generation prägte nicht der Koreakrieg, sondern der wirtschaftliche Aufstieg und der Kampf gegen die Militärdiktatur. Die 386er sind nationalistisch und US-kritisch. Ihnen gegenüber stehen alte, patriarchale Antikommunisten, die als Rechte mit der Militärdiktatur paktierten, aber zuletzt an Einfluss verloren. Zwischen beiden Lagern gibt es keinen Grundkonsens mehr – eine Konstellation, die eine Lappalie zu einer politischen Krise ausarten lässt. SVEN HANSEN