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Archiv-Artikel

„Fans nicht pauschal verdächtig“

Die Polizei rechtfertigt die Ingewahrsamnahme von 234 Fußballfans mit Verweis auf die BKA-Datei „Gewalttäter Sport“. Die allein kann „kein Argument sein“, sagt der grüne Innenpolitiker Björn Fecker

BJÖRN FECKER, geboren 1977, ist Lehrer von Beruf und – beim FC Huchting – Jugendtrainer aus Leidenschaft. Als Bürgerschaftsabgeordneter sitzt er für B90/Die Grünen unter anderem in der Innen- und der Sportdeputation.

INTERVIEW VON CHRISTIAN JAKOB

taz: Herr Fecker, Ihre Fraktion hat die Festsetzung der Frankurter Fans am letzten Samstag in Frage gestellt, weil sich diese bei ihrer Festnahme völlig friedlich verhalten haben. Hat die Polizei die Gewaltbereitschaft der Fans überzogen eingeschätzt?

Björn Fecker: Es ist im Nachhinein schwierig zu beurteilen, ob es ausreichend Anlass gab, einzugreifen. Wir haben Aussagen von ganz vielen Frankfurter Fans, die auch die Blocksperre im Stadion mit Pfefferspray und Schlagstöcken als völlig überzogen kritisieren. Andererseits stehen im Internet Videos, auf denen etwa zu sehen ist, wie Frankfurter Metall-Mülleimer Richtung Polizei werfen. So friedlich und ruhig war es also wohl alles nicht.

Die Polizei sagt, dass sie von den Frankfurtern geplante Angriffe auf die Bremer Ultras verhindern wollte. Die Bremer Ultras weisen dies als völlig überflüssig zurück…

… wobei die ja an dem Morgen noch gar nicht vor Ort waren. Und gewisse Befürchtungen muss es bei ihnen auch gegeben haben, schließlich haben sie ihr Fahnenlager im Weserstadion scharf bewacht. In jedem Fall war aber das massive Auftreten der Frankfurter in der Innenstadt, vor den Treffpunkten der Bremer, völlig atypisch für eine geplante Schlägerei. Die finden normalerweise immer dort statt, wo die Polizei nicht sofort dazukommt.

Wie wollen Sie denn jetzt mit den abweichenden Darstellungen umgehen?

Wir werden alles, was wir dazu recherchiert haben, ins Internet stellen. Was wir aber gerne noch genauer wüssten ist, was die Frankfurter Beamten wirklich gesagt haben.

Das hat die Bremer Polizei doch schon berichtet: Man habe „die Richtigen erwischt“. Zweifeln Sie das an?

Die Frankfurter Fans schildern das anders.

Nämlich?

Die Frankfurter Beamten hätten gesagt, dass man den Einsatz auch anders hätte abhandeln können. Aber das können wir Bremer PolitikerInnen nicht überprüfen.

Rund ein Drittel der beim Heimspiel am Samstag vor zehn Tagen festgesetzten Frankfurter Fans war in der so genannten „Gewalttäter Sport“-Datei des BKA eingetragen. Polizeipräsident Eckard Mordhorst hat dies als einen Beleg für die Gefährlichkeit der Festgesetzten angeführt.

Wenn man weiß, wie man in diese Datei reinkommt, kann das alleine kein Argument sein.

Weshalb?

Eine Personalienfeststellung am Rande eines Fußballspiels und eine sogenannte „Prognose“ können für einen Eintrag schon genügen. Nach unserer Auffassung sollte dies aber nur nach einer einschlägigen Verurteilung möglich sein. Dass es die Datei überhaupt gibt, ist in Ordnung. Gibt es aber kein Verfahren oder wird es eingestellt, muss man daraus gelöscht werden. Der Eintrag kann schließlich weitreichende Folgen haben, unter Umständen kann deshalb zum Beispiel bei Großveranstaltungen im Ausland die Ausreise aus Deutschland untersagt werden.

Mordhorst hat in der Deputationssitzung am vergangenen Donnerstag versichert, dass diese Datei allen rechtlichen Anforderungen entspreche. Dabei hat doch das Verwaltungsgericht Hannover sie im Mai als rechtswidrig eingestuft.

Ja, weil der Bundesrat nicht entsprechend beteiligt worden ist.

Diese Zentral-Datei wurde ja bereits 1994 eingerichtet. Im Jahr 2000 sind dann die Dateien „Gewalttäter links“ und „Gewalttäter rechts“ hinzu gekommen – auch hier kann jeweils eine simple Kontrolle auf dem Weg zu einer Demo genügen. Hat der Sport hier als eine Art Experimentierfeld gedient?

Ich glaube nicht, dass das damals die Absicht war. Die Polizei wollte eben ein zentrales Register. Wenn sich das etabliert hat, ist es eher logisch, es auch auf andere Bereiche auszuweiten.

Müsste die Formel „Ohne Urteil kein Eintrag“ nicht auch für die genannten politischen Dateien gelten?

Natürlich.

Was wollen Sie jetzt tun?

Wir wollen das Thema in der Innendeputation angehen, auch um ein Signal zu setzen, dass Fußballfans nicht pauschal verdächtigt werden dürfen. Es muss unbedingt klarer definiert werden, wen die Polizei da einspeichern darf.

Können Sie da auf Landesebene Einfluss nehmen?

Dass dies grundsätzlich gestaltbar ist, zeigt ja die Ermessensentscheidung der Bremer Polizei, die eingekesselten Frankfurter nicht in die Gewalttäter-Datei eintragen zu wollen.