Gericht stärkt Patientenrechte im Ausland

EuGH: Krankenkasse muss Arztbesuch auch im EU-Ausland bezahlen. Krankenhausaufenthalt genehmigungspflichtig

BRÜSSEL taz ■ Mit sechs Kronen und einer fest sitzenden Prothese ließ sich die Niederländerin V. G. Müller-Fauré 1994 in Deutschland ihr Gebiss restaurieren. Eine folgenschwere Entscheidung für alle EU-Bürger und ihre Krankenkassen. Denn die niederländische Krankenkasse weigerte sich, für die Kosten aufzukommen, da Müller-Fauré keine Genehmigung eingeholt hatte, bevor sie in Deutschland zum Zahnarzt ging.

Der Streit zog sich durch alle Instanzen und wurde gestern vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg entschieden. Entgegen der Meinung des Generalanwaltes, der das „finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit“ durch Müller-Faurés Arztwahl gefährdet sieht, stärkte der EuGH die Patientenrechte. Er entschied, dass angesichts der sprachlichen Hürden, der fehlenden Informationen über die Gesundheitsversorgung in anderen Ländern und der hohen Kosten einer Auslandsreise sicher nur wenige Patienten sich entschließen würden, in einem anderen Land zum Arzt zu gehen. Das Gleichgewicht des niederländischen Gesundheitssystems werde nicht dadurch gestört, dass sich gelegentlich ein Patient im Ausland behandeln lasse.

Einen Krankenhausaufenthalt müsse allerdings vorher die Kasse genehmigen, wie der EuGH schon in einem anderen Fall feststellte. Dies dürfe aber nur verweigert werden, wenn eine ebenso wirksame Behandlung rechtzeitig im Inland durchgeführt werden könne. Dabei müsse nicht nur der Gesundheitszustand des Patienten berücksichtigt werden, sondern auch das Ausmaß der Schmerzen, die Vorgeschichte und eine mögliche Berufsunfähigkeit.

Länder wie Großbritannien oder die Niederlande versuchen, ihre Gesundheitskosten zu dämpfen, indem sie die Zahl der Vertragsärzte begrenzen und Krankenhäuser schließen. So entstehende Wartezeiten können Patienten nun umgehen, indem sie in einem Nachbarland den Arzt aufsuchen oder sich dort einen Krankenhausaufenthalt genehmigen lassen. Für viel reisende oder im Ausland arbeitende EU-Bürger bedeutet die Entscheidung eine echte Verbesserung.

Bislang waren sie nur durch die so genannte „Wanderarbeiter-Verordnung“ geschützt, die nur Notfälle abdeckt. Nun kann jeder den Arzt seiner Wahl in Paris, Rom oder London konsultieren und die Ausgaben entsprechend den Gebührensätzen bei seiner heimatlichen Krankenkasse erstattet bekommen. Ob so die Kosten weitersteigen, ist nicht ausgemacht. Denn das Preis-Leistungs-Verhältnis ist im Gesundheitswesen der EU-Länder sehr unterschiedlich. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. DANIELA WEINGÄRTNER