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Archiv-Artikel

Piepende Tauben und die Grünen als Kulturgut

Nicht Subvention und Steuervergünstigung, sondern Investition: Eine Debatte im Bundestag zur auswärtigen Kulturpolitik und deren enger werdenden finanziellen Spielraum

„Es ist wohl eine Taube, die da oben piept?“, fragte Antje Vollmer irritiert. Doch es war kein Vogel, der die grüne Abgeordnete während ihrer Bundestagsrede zur auswärtigen Kulturpolitik durcheinander gebracht hatte. Sondern die Jalousien, die sich in der Glaskuppel des Plenarsaals hinabsenkten und quietschten. „Hören Sie doch bitte meinem Pfeifen zu!“, ermahnte Vollmer das lachende Plenum, um keine weitere Redezeit zu verlieren.

Die hatten auch die Vorredner schon überzogen, um ihrer Sorge um die internationale „Kulturpolitik für den Standort Deutschland“ (Vera Lengsfeld, CDU) Ausdruck zu verleihen. Der Bundestag nahm jenen Klagegesang auf, der am gleichen Morgen im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung angestimmt worden war: Die Kulturarbeit der Goethe-Institute und anderer Mittlerorganisationen sei aufgrund der Kürzungspolitik gefährdet, schrieb Thomas Steinfeld und verkündete, „die Auflösung des Goethe-Instituts […] wäre eine konsequentere Entscheidung als das langsame Erwürgen dieser Institutionen – der Effekt wäre spätestens Ende dieses Jahrzehnts ohnehin derselbe“.

Sorgen von geradezu weltpolitischer Bedeutung hatte man nun auch im Reichstag. Seit dem 11. September 2001 gehe die internationale Bekämpfung „neuer Bedrohungen“ über militärische Einsätze hinaus und weise dem internationalen Kulturdialog eine bedeutende Rolle zu, gab Kerstin Müller (Grüne) in ihrer Rede den parlamentarischen Konsens wieder. Hört, hört: Wird der Export deutschen Bildungsguts zu einer „Art Wunderwaffe im Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ wie Christof Siemes in der Zeit spottete?

Mehr noch: Vollmer sprach von einem „einzigartigen Ruf in der Welt“, ja der deutschen „Kulturherrschaft von der Klassik bis zur Avantgarde“, die es nunmehr im Ausland zu verteidigen gelte. Sie sei deshalb über die laufende öffentliche Kulturdebatte „heilfroh“. Einen „unglaublichen Skandal“ nannte sie es, dass die so genannte dritte Säule der auswärtigen Politik sogar in die Streichliste zum Subventionsabbau geraten sei, die die Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) 2003 vorgelegt hatten.

Unterschiedlicher Auffassung waren die Redner in der inhaltlichen Charakterisierung desjenigen Kulturguts, an dem zunächst der Weltfrieden und dann die deutsche Wirtschaft genesen solle. Sprach Vollmer von Goethe, Schiller, Humboldt und – Lacher! – den Grünen als „dem größten Kapital, das wir haben“, so sah Klaus Rose (CDU/CSU) eher in den deutschen Streitkräften jene tapfere Vorhut, die die Behauptung deutscher Kultur gerade in den Krisengebieten und Ursprungsregionen des weltweiten Terrors erkämpft habe: „Dass wir heute in Kabul wieder ein Goethe-Institut haben, verdanken wir der Nato und der Bundeswehr“, sagte Rose.

Gerade in kleineren Ländern etwa Zentralasiens, „in denen traditionell ein starkes Interesse an Deutschland“ bestehe, wie es im Tagesordnungsantrag der rot-grünen Fraktion heißt, dürfe der Kulturhaushalt nicht den Kürzungen zum Opfer fallen. Der „Gegenantrag“ der CDU kritisiert derweil, kein Bereich der auswärtigen Politik sei in den vergangenen Jahren so vernachlässigt worden wie der der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Auch in der Debatte war letztlich nicht zu überhören, dass von der CDU/CSU bis hin zur PDS jenseits parteipolitischer Sticheleien traute Einigkeit herrschte: Die auswärtige Kulturpolitik sei als wichtige Investition und nicht als Subvention, ja gar als bloße „Steuervergünstigung“ (Koch/Steinbrück) aufzufassen. Die Mittlerorganisationen seien angesichts des gesunkenen Etats (nach Angaben der Regierungskoalition derzeit rund 558 Millionen Euro, also etwa 26 Prozent der Mittel des Gesamthaushaltes des Auswärtigen Amtes) nicht weiter zu belasten, sondern zu stärken. So konnte Vera Lengsfeld am Ende sogar „ausnahmsweise der PDS zustimmen“ – und der allgemeine Schmusekurs war perfekt.

Bei so viel einhelliger Sorge um das Ansehen Deutschlands in der Welt konnten Beobachter schon mal durcheinander kommen: „Ist det die Lengsfeld?“ –„Nee, det is doch die Kerstin Müller!“, rätselten etwa einige Besucher unmittelbar nach der Debatte, als sie sahen, wie Müller in der Lobby ein Fernsehinterview gab. Einen Stock tiefer improvisierte der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Andreas Schlüter, eine Minipressekonferenz am Fuß von Jenny Holzers Leuchtschriftstele. „Nach dieser Debatte werden wir wohl keine weiteren großen Einschnitte zu befürchten haben“, sagte Schlüter der taz zufrieden. Und ging hinaus in den Sonnenschein.

JAN SÜSELBECK