DIE KOALITION VON SPÖ UND FPÖ IST IN ÖSTERREICH KEINE SENSATION : Kärnten ist anders
Die SPÖ wird Jörg Haider zum Landeshauptmann von Kärnten machen. Eine Verbindung, die überall sonst in Österreich als widernatürlich und unsittlich betrachtet würde, ist im südlichsten Bundesland keine wirkliche Sensation. Denn eine Sozialdemokratie, die links gewesen wäre, hätte dort nie erstarken können. Der legendäre Landeshauptmann Leopold Wagner, der sich in den 70er-Jahren selbst stolz als „hochgradiger Hitlerjunge“ vorstellte und festhielt, die SPÖ sei in Kärnten „zuerst national und dann erst sozialistisch“, war keine Ausnahmeerscheinung.
Auch 85 Jahre nach dem Abwehrkampf gegen den Anschluss von Südkärnten an das damals gegründete Jugoslawien ist die Frontstellung gegenüber einem vermeintlichen Feind jenseits der Karawanken und – in Gestalt der slowenischen Minderheit – im eigenen Land kaum aufgeweicht worden. Im protestantischen Kärnten, wo seit der Monarchie die katholische Zentralregierung in Wien als natürlicher Gegner betrachtet wird, war schon vor dem Anschluss 1938 die Dichte der NSDAP-Mitglieder besonders hoch. Der Verband der Abwehrkämpfer, ein Hort des Deutschnationalismus, mischt nach wie vor in der Politik mit. Haider bedient diese Stimmung überzeugender und punktet mit seiner Eventkultur auch bei den unpolitischen Jungwählern.
Inhaltliche Differenzen trennen die Parteien FPÖ und SPÖ in diesem Bundesland also kaum. Mit der raschen Einigung haben sie die angeschlagene konservative ÖVP an die Wand gespielt und damit auch der Bundesregierung den Einfluss auf Kärnten genommen. Innerösterreichisch kann SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer durchaus hoffen, Verständnis dafür zu finden, dass die Sozialisten regional begrenzt mit den Rechtspopulisten paktieren. Bleibt zu klären, ob auch die Haider-Kritiker in der EU, die einst eine achtmonatige Quarantäne über Wolfgangs Schüssels Koalition mit der FPÖ verhängten, sich so schnell überzeugen lassen, dass der Kärntner Pakt nicht als Präzedenzfall für künftige Regierungskonstellationen zu werten ist.
RALF LEONHARD