piwik no script img

Archiv-Artikel

EINE NEUE LINKSPARTEI IST FÜR DIE SPD GEFÄHRLICH – UND TUT IHR GUT Version Notausgang

Die Sehnsucht nach Abspaltung war in der SPD immer fruchtbar, sie gehört zu ihrem Grundbestand. Der Arbeiterverein zog seinen Gründungsimpuls und seine Existenzberechtigung daraus, den herrschenden Staat umgestalten zu wollen – zugleich aber kritische Distanz zu ihm zu wahren. Von daher ist es keine Überraschung, dass sich neben den regierungssüchtigen Münteferings und Schröders jetzt wieder verstärkt Befürworter eines Oppositionskurses zu Wort melden, und zwar eines prinzipiellen, eigenständigen, eines „links von der SPD“, wie die übliche Warnmeldung heißt.

Die beiden Strömungen, die derzeit an einer eigenen alternativen Linkspartei basteln, sind schwach. Charismatische, ja bislang auch nur identifizierbare Figuren haben sie nicht zu bieten. Aber egal wie ernsthaft die Alternative sich präsentiert – die SPD hat keine Wahl: Sie muss sie ernst nehmen. Dazu gehört, so kindisch sich diese zunächst anhören mag, die Drohung an die Adresse abtrünniger SPDler, sie gingen ihres Parteibuchs verlustig. Die Situation der Partei ist, wie sie ist: Weder die Wähler noch ihre Mitglieder goutieren die SPD-Variante sozialstaatlicher Umgestaltungen. Nur besteht ein Unterschied, ob etwa Ottmar Schreiner oder Andrea Nahles mehr oder weniger unverbindlich über den neoliberalen Kurs lärmen. Oder sie so still wie entschieden der Partei den Rücken kehren. Verlassen oder von innen kritisieren: Die Version „Exit“ sorgt für mehr Unruhe als die der „Voice“, denn sie macht deutlich: Schluss mit dem Gelabere – oder ich bin weg. Das gilt für Ehen genauso viel wie für Staaten oder Parteien. Für den Untergang der DDR etwa waren die Ausreiser am Ende bedrohlicher als die Hierbleiber, die innerhalb des Systems nach Alternativen suchten.

Es schadet der SPD nicht, wenn sie vor diese Alternative gestellt wird. Sie beschleunigt den Prozess der Selbstverständigung mit ihresgleichen. Bis in die Ortsvereine hinein werden Sozialdemokraten kapieren, was Gerechtigkeit heute bedeutet und wie der Sozialstaat renoviert werden kann. Oder sie dürfen zuschauen, wie Union und FDP ihn mit der Abrissbirne traktieren. CHRISTIAN FÜLLER