Der höfliche Revoluzzer

Er ist ein Mann der Taktik, der bedachten Worte und wortreichen Auslassungen: Wie er einst dem Strudel der Bankaffäre entkam, hält Peter Kurth sich heute von den Niederungen der Lokalpolitik fern

von RALPH BOLLMANN

Nur immer höflich bleiben. Niemals würde Peter Kurth es wagen, seine innerparteilichen Gegner öffentlich schlecht zu reden. Sollen doch seine Parteifeinde versuchen, den Exsenator posthum in den Berliner Bankenskandal hineinzuziehen, mögen sie halt nörgeln, der Nochmanager gefährde mit seiner Kandidatur die Geschlossenheit seiner Partei – der Gescholtene revanchiert sich stets mit artigem Lob. „An kommunalpolitischer Erfahrung ist er mir um Lichtjahre voraus“, sagt er über den Bezirksbürgermeister Joachim Zeller, seinen Konkurrenten um das Amt des CDU-Landeschefs.

Natürlich ist es ein vergiftetes Lob. Geht es nach Peter Kurth, soll es auf dieses Klein-Klein der bezirkspolitischen Querelen künftig nicht mehr ankommen. Mit diesem Programm tritt der 43-Jährige ja gerade an: Er verspricht, die Union fit zu machen für eine Metropole, wo die Partei in manchem Innenstadtbezirk „knapp an der Fünfprozenthürde“ dahinvegetiert. Die CDU-Bundespolitiker sollen sich nicht mehr „mit Grausen abwenden“, wenn sie am Frühstückstisch die Berliner Lokalpresse studieren.

Keine Frage also, dass Kurth auf die Unterstützung der Bundesspitze zählen kann. Die Kohl-Affäre war vor drei Jahren noch kaum ins Rollen gekommen, da hatte er sich schon zum Reformkurs Angela Merkels bekannt. Nach der Spendenkrise werde die Union „eine andere Partei“ sein als zuvor, prophezeite er vergnügt, und zwar „keine schlechtere“.

Wie das funktionieren kann, machte der damalige Finanzsenator gleich selbst vor. Er spekulierte über Schwarz-Grün und warb für seine Sparpolitik selbst bei der PDS-Basis. Er gab der Homo-Gazette Männer Aktuell ein Interview und begutachtete auf dem lesbisch-schwulen Stadtfest die Qualitäten des SPD-Bürgermeisters: „Herr Wowereit ist in mehrfacher Hinsicht nicht mein Typ.“

Nicht nur als Liberaler in einem konservativen CDU-Landesverband musste sich Kurth oft genug auf die Zunge beißen, auch seine bisherigen Ämter verlangten stets ein Höchstmaß an taktischem Geschick. Von 1994 bis 1999 agierte er als Staatssekretär bei der sozialdemokratischen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing – und schaffte es trotz aller Konflikte in Berlins großer Koalition, die Treue zur eigenen Partei mit der Loyalität zur Behördenchefin zu verbinden.

Als Fugmann-Heesing den Rückhalt ihrer eigenen Partei verlor, stand Nachfolger Kurth plötzlich selbst im Rampenlicht. In zähem Kleinkrieg mit dem damaligen Rathauschef Eberhard Diepgen suchte er an Fugmann-Heesings Sparkurs festzuhalten. Fett abbauen und die Muskeln wachsen lassen: Mit solchen Metaphern warb der Langstreckenläufer für ein Ende des alten Westberliner Filzes.

Das konnte mit Diepgen und Landowsky nicht lange gut gehen. Als im Frühjahr 2001 die Götterdämmerung des Ancien Régime einsetzte, wurde die Lage für Kurth brenzliger denn je. Er konnte sich zu diesem Zeitpunkt nicht offen gegen seinen einstigen Förderer Klaus Landowsky stellen – aber gleichzeitig durfte er auch nichts vertuschen, wollte er seine politische Zukunft nicht aufs Spiel setzen.

Mag das krakenartige System Landowsky auch enthauptet sein, seine Arme reichen bis heute weit in der Berliner CDU, und sie drohen den ewigen Hoffnungsträger Kurth noch immer einzuholen. Ausgerechnet der Kreis um den Landowsky-Zögling Frank Steffel versucht jetzt, dem Exfinanzsenator eine Mitverantwortung für den Bankenskandal in die Schuhe zu schieben und auf diese Weise das alte Klientelsystem am Leben zu erhalten.

Nach dem Verlust des Senatorenamts wechselte Kurth in den Vorstand der Alba AG, wo er eine unerwartete Leidenschaft für den Handel mit Müll entwickelte: „Die ganze Welt ist ein Entsorgungsproblem“. Seinen Gesprächspartnern schwärmte er ausführlich vor, dass Deutschland seinen Abfall neuerdings nicht mehr in Osteuropa entsorge, sondern ganz im Gegenteil Müll aus Polen einführe.

Mit der Beschwörung wirtschaftlichen Wachstums und deutsch-polnischer Freundschaft erobert man freilich nicht die Herzen der christdemokratischen Basis. Deshalb hat sich der stets höfliche Kurth für seine Kandidatenrede auch ein paar härtere Sätze zur inneren Sicherheit zurechtgelegt. Es könne doch nicht sein, schimpft Kurth mit Blick auf den Kreuzberger 1. Mai, „dass der rot-rote Senat einen ganzen Bezirk der Randale überlässt, während der Regierende Bürgermeister zu einer Tourismuskonferenz fährt“.

Um Tourismus ging es auf dem Symposium allerdings nur am Rande. Vielmehr war es der größte schwul-lesbische Kongress der USA, auf dem Klaus Wowereit zum letzten Monatswechsel weilte. Aber gerade das wollte Kurth dem Bürgermeister wohl nicht vorwerfen.