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Archiv-Artikel

Die Mörder, das sind immer die anderen

Im Baskenland hat das Massaker von Madrid die Menschen aufgewühlt. Die alten Gräben sind wieder aufgerissen

SAN SEBASTIÁN taz ■ Angel Berrueta ist tot, weil er sich weigerte, gegen die Separatistenorganisation ETA zu protestierten. So berichten es zumindest die baskischen Medien. Am Samstagmorgen habe eine Frau im Laden des 61-jährigen Bäckers ein Schild mit der Aufschrift „ETA no“ aufhängen wollen. Der Bäcker habe sich dagegen gewehrt und sei daraufhin von dem Ehemann der Frau, einem spanischen Polizisten, erschossen worden.

Was genau in dem Laden geschehen ist, lässt sich nicht rekonstruieren. Sicher ist, dass ein solcher Vorfall in der aufgewühlten Stimmung im Baskenland gerade noch gefehlt hat. In Vitoria gingen am Samstag Basken auf die Straße, einige warfen Flaschen und Steine auf Sicherheitskräfte, in Bilbao überfielen Protestler einen Bus und zündeten einen Container an.

Die baskischen Medien sehen in dem Vorfall einen weiteren Beweis für die Unterdrückung durch den spanischen Zentralstaat. Der Anschlag von Madrid hat die gerade zur Ruhe gekommene Provinz im Mark erschüttert. Allein, dass der spanische Innenminister eine Stunde nach dem Attentat die baskische Untergrundorganisation als wahrscheinliche Urheberin nannte, hat den Graben zwischen Basken und Spaniern wieder tief aufgerissen. „Man will der ETA das Massaker von Madrid in die Schuhe schieben“, vermutet ein Autor unter dem Pseudonym „Goebbels“ in der baskischen Tageszeitung Gara, „weil man davon bei der Wahl profitieren möchte.“ Umso wütender sind viele Basken auf ihren Ministerpräsidenten Juan José Ibarretxe, der die ETA-These der Regierung ohne weiteres übernahm.

Zur selben Zeit als am Samstag mehrere zehntausend Menschen in der baskischen Metropole San Sebastián ihren Schock und ihre Wut über den Anschlag in Madrid durch einen Trauermarsch zum Ausdruck bringen, demonstriert eine kleine Gruppe von ETA-Angehörigen in der Altstadt für die Freilassung ihrer Söhne, Brüder und Freunde. Die wegen Mordes und anderer Gewaltakte verurteilten Terroristen sind für die Familien „politische Gefangene“.

Zwischen den ungleichen Demonstrationen hat sich die „Guardia Civil“ aufgebaut, vermummte Polizisten, die Schlagstöcke und Tränengasgranaten griff- und schussbereit. „ETA no“, ruft es aus der Masse der Demonstranten – „Autodeterminazion“ – Selbstbestimmung – schallt es aus der Altstadt zurück.

In diesen Tagen wimmelt es von Mördern auf Plakaten, Handzetteln oder auch nur auf mit Filzstiften bemalten Händen, die alle in andere Richtungen zeigen. „Aznar asesino“, „PP y PSOE Asesinos“, „ETA Asesinos“.

„Schreiben Sie die Wahrheit“, sagt ein ETA-Unterstützer, als sich die Demonstrationen auflösen und die Teilnehmer beider Züge sich in den Bars der Altstadt vermischen. MATTHIAS MOLINARI