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Archiv-Artikel

Anklage aus einem früheren Leben

Heike Schrader, 43, lebt eigentlich als Journalistin in Athen, doch steht sie jetzt in Düsseldorf vor Gericht – wegen einstiger Kontakte zu türkischen Revolutionären. FOTO: PRIVAT

Ab Montag steht die Journalistin Heike Schrader vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht. Normalerweise berichtet sie für die linke Tageszeitung junge welt als Korrespondentin aus Athen. Doch die Anklage der Bundesanwaltschaft bezieht sich auf ihr früheres Leben in Deutschland. Von 1996 bis 1998 soll sie Mitglied einer Terrorgruppe gewesen sein, die sich innerhalb der links-revolutionären türkischen Organisation DHKP-C gebildet habe.

Schrader werden zwar keine eigenen terroristischen Taten vorgeworfen, sie habe jedoch als „Führungskader“ an Treffen teilgenommen, bei denen Brandanschläge und Tötungsdelikte in Deutschland geplant und vorbereitet wurden, so die Bundesanwaltschaft.

Schrader sagt, sie habe damals lediglich legale Öffentlichkeits- und Menschenrechtsarbeit gemacht. Die DHKP-C sei in Deutschland erst 1998 verboten worden. Es habe sie beeindruckt, wie die Organisation in türkischen Elendsvierteln und Massenorganisationen verankert gewesen sei. Von Gewalt in Deutschland habe sie nichts gewusst. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr vor, dass sie für die DHKP-C in Köln einen Mietvertrag unterzeichnet, einen Verlag gegründet und ein Auto angemeldet habe. Schrader sieht darin keinen Hinweis auf eine führende Stellung, sie sei eben die einzige Deutsche in diesen Kreisen gewesen.

Die DHKP-C entstand 1994, nachdem sich die Gruppe Dev Sol (revolutionäre Linke) in zwei rivalisierende Flügel spaltete, die sich auch in Deutschland mit Waffengewalt bekämpften. Die Tötungsdelikte, von denen Schrader gewusst haben soll, waren Teil dieses Konkurrenzkampfs. Erst 1999 verkündete die DHKP-C, in Deutschland auf Gewalt zu verzichten.

Der Prozess gegen Schrader ist nur auf drei Tage angesetzt. Schon am Mittwoch will das Oberlandesgericht Düsseldorf sein Urteil verkünden. Schrader war im letzten Jahr bei der Einreise nach Deutschland zwar kurz verhaftet worden, doch wurde der Haftbefehl sofort gegen Kaution ausgesetzt. Beobachter werten das als Indiz, dass Schrader höchstens mit einer Bewährungsstrafe zu rechnen hat – wenn die Bundesanwaltschaft ihre Vorwürfe überhaupt beweisen kann.

Ein Haftbefehl gegen sie bestand zwar schon seit 2001, doch Heike Schrader wusste nichts davon. Sie lebte ganz legal mit ihrem Mann in Athen und war dort offiziell als Korrespondentin akkreditiert. Häufig reiste Schrader auch nach Deutschland und stand sogar einmal auf dem Plakat eines linksradikalen Kongresses, doch nichts passierte. Warum sie im Vorjahr plötzlich festgenommen wurde, kann die Bundesanwaltschaft bis heute nicht erklären. CHRISTIAN RATH