: „Es gibt Flüchtlinge, die wollen zurück in ihr Land“
Bernd Hemingway, Deutschland-Chef der International Organization for Migration (IOM), verteidigt das rot-grüne Zuwanderungsgesetz. Die IOM führt weltweit Programme und Projekte für Migranten durch und assistiert unter anderem bei der freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen
taz: Herr Hemingway, vor Ihrer Arbeit für die IOM waren Sie lange bei der EU-Kommission. Wie sieht man von außen das ewige Hickhack um das deutsche Zuwanderungsgesetz?
Bernd Hemingway: In Europa verfolgt man die hiesige Debatte mit großem Interesse. Wenn das Zuwanderungsgesetz so beschlossen würde, wie es geplant ist, könnte Deutschland eine Vorreiterrolle in vielen Bereichen übernehmen.
Was gefällt Ihnen denn so gut an dem Gesetzentwurf?
Ich sehe es als Fortschritt, dass Integrationsmaßnahmen besser abgestimmt werden, dass ein gewisser Standard festgelegt und der Bund zu einer Mitfinanzierung verpflichtet wird. Darüber hinaus: Zu sagen, die Integration von hier lebenden Ausländern ist wichtig und richtig, ist eine wichtige politische Botschaft.
Gefährden die Grünen das Gesetz, weil sie auf einem besseren Schutz vor nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung beharren?
Nein. Auf europäischer Ebene ist es unbestritten, dass Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung ein Standard ist, den man einführen sollte. Eine einheitliche Regelung in der EU wäre ein großer Erfolg.
Die CDU/CSU befürchtet, dass diese Regelung eine Sogwirkung auslösen könnte.
Wenn man sich die Zahlen ansieht, kann man davon nicht sprechen. Es ist nicht nachweisbar, dass sich etwa Frauen unmittelbar auf den Weg machen, um in Länder zu kommen, wo es solche Regelungen gibt.
Die Warnungen der Union sind also aus der Luft gegriffen?
Wenn man sich die Zahlen ansieht, ja. Wenn man die Stimmung in der Bevölkerung wahrnimmt, nein. Ich denke schon, dass es eine gewisse Skepsis in der bundesdeutschen Bevölkerung gibt, insbesondere in Anbetracht der hohen Arbeitslosigkeit. Ich denke, dass es da die Aufgabe von Politik und Gesellschaft ist, den Begriff der Migration positiv zu belegen.
Flüchtlingsorganisationen wie „Pro Asyl“ haben den rot-grünen Gesetzentwurf scharf kritisiert, u. a. wegen der geplanten „Ausreisezentren“.
Die Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes obliegt dem Bund und den beteiligten Behörden. Es ist nicht unsere Aufgabe, dies zu bewerten. Unser Mandat ist klar beschrieben: Wir führen Projekte in den Mitgliedsstaaten durch. Dabei halten wir uns an die Gesetze, die von demokratisch gewählten Regierungen beschlossen werden.
Machen Sie es der Politik dadurch nicht leichter, Flüchtlinge abzuschieben?
IOM ist in keinster Weise beteiligt an Abschiebungen. Was wir machen, ist, im Auftrag von Bund und Ländern eine freiwillige Rückkehr zu unterstützen. Das verbinden wir, wo es geht, mit Re-Integrationsmaßnahmen. Mit staatlichen Zwangsmaßnahmen haben wir nichts zu tun und auch kein Mandat dafür. Uns dafür zu kritisieren, dass es Abschiebungen gibt, ist etwa so, als würde man das Rote Kreuz kritisieren, weil es Kriege gibt.
Ist es nicht zynisch, von „freiwilliger“ Rückkehr zu sprechen, wenn die einzige Alternative Abschiebung heißt?
Nein. Wir bieten eine humanitäre Alternative zu Abschiebungen. Die Freiwilligkeit der Rückkehr können Migrantinnen und Migranten ja zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens für sich entscheiden.
Keine Regierung macht gern Abschiebungen. Da ist es doch eleganter, von „freiwilligen“ Rückführungen zu sprechen.
Den Ausdruck „eleganter“ finde ich nun aber zynisch. Ich halte das schon für eine sehr gute Alternative. Und unsere langjährige Erfahrung zeigt, dass viele Menschen über die freiwillige Rückkehr den Wiedereinstieg in ihren Herkunftsländern geschafft haben und selbst geholfen haben beim Wiederaufbau ihres Landes. Dass man dieses Potenzial nutzt, ist im Übrigen auch eine entwicklungspolitische Aufgabe.
Wenn es Ihre Arbeit nicht gäbe, müssten dann mehr Menschen abgeschoben werden?
Auf jeden Fall. Das ist die logische Konsequenz. Es gibt aber auch sehr viele Fälle, in denen Menschen aus absolut persönlichen Gründen zurückkehren möchten. Bedauerlicherweise wird in der deutschen linken Debatte, auch in der taz, nicht anerkannt, dass es Menschen gibt, die zurück wollen.
INTERVIEW: LKW, BAM