Reform in homöopathischen Dosen

Heute soll eines der letzten, wichtigen Details der Gesundheitsreform geklärt werden. Welche rezeptfreien Medikamente soll es in Zukunft kostenlos geben? Nur noch vier pflanzliche Mittel, meinen Ärzte und Kassen. Ministerin Schmidt fordert mehr

VON COSIMA SCHMITT

Die einen hoffen auf Millionenersparnis, die andere fürchten das Ende der sanften Medizin. Heute will der Bundesausschuss aus Ärzten und Kassenvertretern eines der letzten Details der Gesundheitsreform klären: Welche rezeptfreie Arznei darf der Patient auch künftig auf Kassenkosten kaufen?

Strittig ist vor allem die Zukunft der Naturmedizin. Während der Ausschuss nur vier pflanzliche Heilmittel als Kassenleistung einstufen möchte, drängt Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD): Auch künftig sollen Kranke einige homöopathische Pillen auf Kassenrezept schlucken dürfen.

Das rührt abseits politischen Kalküls an ein altes Problem: „pflanzliche Arznei“ nennt sich vieles – das hochwirksame Naturpräparat wie die nutzlose Tinktur. Experten unterscheiden zwischen pflanzlichen, homöopathischen und anthroposophischen Medikamenten. Auf dem Markt tummeln sich pflanzliche Mittel, deren Nutzen keiner je überprüft hat – aber auch „rationale pflanzliche Präparate“, deren Wirksamkeit belegt ist.

Dies gilt jedoch nicht für die Homöopathie und Anthroposophie. „Sie basieren nicht auf Naturwissenschaften, sondern haben ihre Wurzeln in Ideologien“, sagt Theodor Dingermann, Professor für pharmazeutische Biologie an der Uni Frankfurt. Doch auch diese Präparate könnten durchaus wirken – und sei es auch nur, weil der Patient das glaube. Wissenschaftlich lasse sich nicht beweisen, dass die stark verdünnten homöopathischen Substanzen heilen.

Noch ist unklar, ob der Bundesausschuss auf Schmidts Forderungen eingeht und weiter homöopathische Medikamente auf Kassenkosten zulässt. Er will seine Entscheidung heute Abend verkünden. Ob er bei diesem Thema eine Machtprobe mit Ulla Schmidt wagt, ist zweifelhaft. Die Ministerin hat gute Gründe, sich für Homöopathie stark zu machen. Naturheilmittel haben eine starke Lobby – gerade auch unter den Anhängern der Grünen und der SPD.

Setzt der Bundesausschuss hingegen die Liste in der jetzigen Form durch, werden künftig nur noch vier pflanzliche Heilmittel erstattet: Gingko, das Dementen hilft, Flohsamenpektine, die Darmerkrankungen lindern, Mistelpräparate für Krebskranke sowie Johanniskraut, das leichte Depressionen vertreibt.

Ein solche Liste sei zu starr, kritisiert Dingermann. „Ein Arzt sollte in jeder Situation angemessen therapieren können“, fordert er. Das heißt: Wenn bei einer Krankheit das nebenwirkungsarme pflanzliche Präparat hilft, ist es unsinnig, stattdessen ein viel zu starkes chemisches Produkt zu verschreiben – nur weil das von der Krankenkasse erstattet wird.

Etwa 2,3 Milliarden Euro gaben die Kassen 2002 für rezeptfreie Arzneien aus. Rund die Hälfte der Summe möchte Schmidt dank der Reform sparen. Das Gros der übrigen Millionen wird auf jene Präparate entfallen, die der Bundesausschuss auf eine Ausnahmeliste setzen will. So sollen die Kassen weiterhin rezeptfreie Medikamente erstatten, mit denen Ärzte gängigerweise schwere Krankheiten kurieren. Ein Herzinfarktpatient etwa dürfte dann weiter Aspirin auf Kassenkosten schlucken. Zudem soll für Kinder bis zwölf und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen auch künftig die alte Regelung gelten, die besagt: Wenn der Arzt das Medikament verschreibt, wird es erstattet.

Ohnehin sei es fragwürdig, rezeptfreie Medikamente nur noch ausnahmsweise zu erstatten, sagt Dingermann. „Dass ein Mittel nicht verschreibungspflichtig ist, heißt nicht, dass es schlechter wirkt. Es ist lediglich so ungefährlich, dass man es auch ohne ärztliche Aufsicht einnehmen kann.“