: Nicht foltern ist gar nicht so leicht
Mit seinen Vorgaben, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen und den US-Truppen und Geheimdiensten künftig jede Art von Folter zu verbieten, gerät der designierte US-Präsident Barack Obama in Konflikt mit den Geheimdiensten. Gibt er nach?
AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF
Eines der Versprechen Barack Obamas im Wahlkampf war, der Folter von Terrorverdächtigen durch US-Sicherheitsbeamte ein Ende zu bereiten. Noch sitzt Obama nicht im Weißen Haus, doch schon wird deutlich, dass selbst ein so einfach zu bejubelndes Wahlversprechen schwerer einzulösen sein wird als gedacht.
Auf welcher Grundlage werden die US-Geheimdienste in Zukunft verhören dürfen? Natürlich auf der des „Armee-Feldhandbuchs“, dachten bislang alle. Das Handbuch verbietet gemäß internationaler Abkommen Befragungstechniken, die der noch amtierende US-Präsident George W. Bush und seine Mitarbeitenden jedoch für angemessen hielten. Darunter das sogenannte Waterboarding, jenes berüchtigte simulierte Ertränken, das einen Gefangenen in Todesangst versetzt, außerdem Einschüchterung mit Hunden, Säcke-über-den-Kopf-Stülpen und sexuelle Demütigungen.
Nun aber äußerten zwei führende Demokraten im Geheimdienstausschuss des Senats die Idee, dass es auch möglich sei, eine weitere, neue Verhöranleitung zusätzlich zu dem Armeehandbuch zu schreiben, die womöglich einen Teil dieser Praktiken doch weiterhin zulässt. Dieser Vorstoß der kalifornischen Senatorin Diane Feinstein und des Oregoner Senators Ron Wyden, so wird spekuliert, soll dem sich formierenden Widerstand in den US-Geheimdiensten entgegenkommen. Die Empörung von US-Menschenrechtsorganisationen ließ nicht lange auf sich warten.
Um die kruden Rechtsinterpretationen von Präsident Bush zu stoppen, benötigt Barack Obama nicht einmal die Zustimmung des Kongresses. Die Freiräume, die Bush der CIA gewährt hat, könnte er gleich zum Amtsantritt mit einem Federstrich für ungültig erklären. Doch was Obama am Tag seiner Amtseinführung am 20. Januar auf die Füße fallen könnte, sind die Rivalitäten der US-Geheimdienstszene. Just die Suche nach einem Nachfolger für CIA-Chef Michael Hayden geriet vergangene Woche zum ersten echten Patzer des Obama-Übergangsteams. Sein wahrscheinlichster Kandidat, John O. Brennan, selbst ein CIA-Veteran, musste sich nach Protesten liberaler Kritiker von der Liste möglicher Anwärter streichen – im August hatte sich Brennan, wie Feinstein, in einem Interview offen für die Möglichkeit einer neuen Verhöranleitung gezeigt.
Obama, der Brennan lieber opferte, als sich mit seinen progressiven Unterstützern anzulegen, steht nun vor der schwierigen Aufgabe, einerseits klar mit der Bush-Ära zu brechen, andererseits die CIA nicht gegen sich aufzubringen. Deren Mitarbeitende, so berichteten US-Medien, seien in erhöhtem Alarmzustand über die Frage, was die Grundlagen ihrer Rechte im Kampf gegen den Terror seien. Die CIA hatte sich in der Vergangenheit zudem stets dagegen ausgesprochen, bestimmte Befragungsmethoden öffentlich zu diskutieren, da dies Terroristen erlaube, sich entsprechend zu präparieren.
Obama, so Beobachter, werde es schwerfallen, einen Kandidaten zu finden, der gleichzeitig das Vertrauen der CIA und des linken Flügels der Demokraten genieße. Streitpunkte dürften nicht nur die Befragungstechniken werden, sondern auch die Überstellung von Terrorverdächtigen an Länder, in denen gefoltert wird, und die geheime Inhaftierung Verdächtiger. Im Wahlkampf hatte Obama angekündigt, der CIA weiterhin erlauben zu wollen, Verdächtige in Gefängnissen außerhalb der USA festzuhalten, allerdings werde er darauf bestehen, versprach er, dass diese Gefängnisse von Inspektoren des Roten Kreuzes besucht werden können.
Am Freitag nahm der Supreme Court den Fall des qatarischen Staatsbürgers Ali al-Marri an, der seit 2003 unter Terrorverdacht ohne Anklage in den USA inhaftiert ist – als einziger solcher Gefangener auf US-Gebiet. Die übrigen Verdächtigen werden in Guantánamo auf Kuba festgehalten. Der Oberste Gerichtshof kündigte in dem Fall eine Grundsatzentscheidung über die Vollmacht des US-Präsidenten an, Al-Qaida-Verdächtige ohne Anklage auf unbestimmte Zeit zu inhaftierten. Das Urteil wird für kommenden Juni erwartet. Obama hat bislang nicht erklärt, wie er sich im Fall al-Marri verhalten wird, wohl aber, Guantánamo schließen und die dortigen Verdächtigen vor US-Gerichte stellen zu wollen.