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Archiv-Artikel

Die Schlacht der Verteidiger

Im Kölner Müll-Prozess wollen die Anwälte von Ex-SPD-Fraktionschef Norbert Rüther und Müll-Manager Sigfrid Michelfelder die Glaubwürdigkeit des Mitangeklagten Ulrich Eisermann erschüttern

Von Pascal Beucker

Wolfgang Thierse bleibt ein Abstecher ins Kölner Landgericht erspart. „Wir haben keine Veranlassung, den Herrn zu hören“, beschied der Vorsitzende Richter Martin Baur am gestrigen Verhandlungstag im Kölner Müllskandalprozess. Im Zusammenhang mit dem Verdacht der Staatsanwaltschaft, der SPD-Oberbürgermeisterwahlkampf 1999 könne auch mit Müll-Schmiergeldern finanziert worden sein, hatte letzte Woche die Verteidigung des früheren Kölner SPD-Ratsfraktionschefs Norbert Rüther die Vernehmung des Bundestagspräsidenten über den damaligen Rechenschaftsbericht der Partei angeregt.

Auch ohne die Zeugenaussage Thierses verschiebt sich möglicherweise das am vergangenen Donnerstag für Ende März angekündigte Ende der Beweisaufnahme. Denn gestern begann die Schlacht der Verteidiger. So beantragten die Anwälte des Ex-Steinmüller-Managers Sigfrid Michelfelder die Befragung eines neuen Zeugen – und zwar per „audiovisueller Vernehmung“. Mittels Videokonferenz soll der einschlägig bekannte Züricher Rechtsanwalt Heinz Egli aus der Schweiz zugeschaltet und nach seinen Geschäftsbeziehungen zu dem mitangeklagten Ulrich Eisermann befragt werden. Eisermann hatte behauptet, von Egli hereingelegt worden zu sein und dadurch einen Teil seiner Müll-Millionen verloren zu haben. Die Michelfelder-Verteidigung will nun beweisen, dass er gelogen habe, um so Geld aus seinem Schmiergeldanteil vor dem Zugriff der Ermittler zu retten. Egli, Honorarkonsul der Steueroase Vanuatu, ist nach Angaben seines Anwalts krankheitsbedingt nur eingeschränkt arbeits- und reisefähig, stehe aber für eine „rechtshilfeweise Befragung in der Schweiz zur Verfügung“.

Darüber hinaus versuchte Michelfelders Anwältin Anne Wehnert in einem ausführlichen Beweisantrag „Brüche in der Aussagekonstanz der Angaben des Herrn Eisermann“ aufzuzeigen. Es geht darum, die Glaubwürdigkeit Eisermanns nachhaltig in Zweifel zu ziehen, da sich der Vorwurf gegen Michelfelder, er habe sich nicht nur eine, sondern 2,4 Millionen Mark in die Tasche gesteckt, ausschließlich auf die Aussagen des Ex-AVG-Geschäftsführers stützt. Auch der Vorwurf an Rüther, er habe zwei Millionen Mark von Eisermann gefordert und angenommen, beruht nur auf den Angaben seines Ex-Parteifreundes. „Objektive Anhaltpunkte, geschweige denn Beweise hierfür, gibt es für die Darstellung von Herrn Eisermann nicht“, so Wehnert.

Den Anträgen der Michelfelder-Anwälte schloss sich erwartungsgemäß die Verteidigung Rüthers an. Und sie legte noch eins drauf: Während der Zeugenbefragung eines Polizeibeamten zog sie ein Schreiben aus der Tasche. In dem beantwortete ein Anwalt im Namen seines Mandanten, ein Mitarbeiter der Schweizer Briefkastenfirma Pentag, Fragen des Beamten – der keine Erklärung dafür hatte, dass der Brief sich nicht in den Akten befand. Brisant für Eisermann: Das Schreiben legt nahe, dass der Ex-AVG-Geschäftsführer auch bei der Deutschen Babcock die Hand aufhielt. Demnach könnten über die Pentag 2,5 Millionen Mark an Eisermann geflossen sein. Pentag hatte dem Anlagenbauer als Geldwaschanlage gedient. So überwies Babcock 1994 in zwei Tranchen Millionenbeträge in Schweizer Franken in die Schweiz. Bisher gingen die Ermittler davon aus, das Schmiergeld sei für den schillernden Hamburger Ingenieur Hans Reimer und dessen Aktivitäten im Zusammenhang mit der MVA in Weisweiler bestimmt gewesen. Reimer war unter anderem dafür 2002 zu fünf Jahren Haft wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Er hatte stets bestritten, die Summe erhalten zu haben.