Pharmakonzerne scheitern vorm EU-Gericht

EuGH schützt gesetzliche Krankenkassen vor EU-Wettbewerbsrecht. Arzneifirmen müssen Festbeträge akzeptieren

FREIBURG taz ■ Gesetzliche Krankenkassen sind keine Unternehmen, die im wirtschaftlichen Wettbewerb stehen. Das EU-Wettbewerbsrecht ist daher nicht auf sie anzuwenden. Dies entschied gestern der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Grundsatzurteil. Weitere Liberalisierungen im Gesundheitswesen sind damit erschwert.

Konkret ging es um die 1989 in Deutschland eingeführte Festlegung von Höchstbeträgen für die Erstattung von Arzneimitteln. Die Kassen müssen für ein Medikament mit bestimmten Eigenschaften nicht mehr als den von ihnen festgelegten „Festbetrag“ bezahlen. Verschreibt der Arzt ein teureres Arzneimittel, muss der Patient die Mehrkosten selbst bezahlen. Dies kommt aber nur noch selten vor, weil die Pharmafirmen in der Regel ihre Preise auf den Festbetrag gesenkt haben – um ihre Arznei noch an den Patienten bringen zu können.

Einige Pharmafirmen kritisierten diese Höchstpreise, weil sie von den Spitzenverbänden der Krankenkassen festgelegt werden. Dies sei ein unzulässiges Kartell und verstoße gegen EU-Wettbewerbsrecht.

Dies hat der EuGH nun klar zurückgewiesen. Die gesetzlichen Kassen und ihre Verbände seien keine profitorientierten Unternehmen, sondern nähmen eine „rein soziale Aufgabe wahr, die auf dem Grundsatz der Solidarität beruht“. Der Risikoausgleich zwischen den Kassen belege, dass hier nicht wirtschaftlicher Wettbewerb herrsche, sondern „eine Art Solidargemeinschaft“. Das EU-Wettbewerbsrecht sei daher nicht anwendbar.

Für Liberalisierungskritiker ist das Urteil ein großer Erfolg. Der unabhängige EuGH-Generalanwalt Francis Jacobs hatte in seinem im Mai erstatteten Gutachten die Kassen noch als Unternehmen eingestuft. Das Bundesverfassungsgericht hat andere Pharma-Klagen gegen die Festbeträge bereits 2002 zurückgewiesen. CHRISTIAN RATH