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Archiv-Artikel

Eine nützliche Krise

Die riesigen Steuerausfälle bringen SPD und Union einander näher. Beide wollen Steuererleichterungen streichen

von HANNES KOCH

Die Lage der Staatsfinanzen ist so mies, dass Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) schon wieder gute Laune bekommt. „Ich kann nur begrüßen, was Friedrich Merz gesagt hat“, sandte der Amtsinhaber gestern warme Worte an den Schatten-Finanzminister der Opposition. Denn offensichtlich wächst bei einigen CDU-Politikern die Einsicht, dass manche von Eichels Vorhaben gegen die Haushaltskrise einfach sein müssen, wenn CDU-regierte Länder wie Hessen oder Baden-Württemberg handlungsfähig bleiben wollen. Vor Wochen hatten sich die Unionsfürsten im Bundesrat noch den Luxus geleistet, das rot-grüne Gesetz zum Abbau von Steuersubventionen komplett abzulehnen.

Nun kommt manches wieder: die Reduzierung der Eigenheimzulage für Neubauten auf der grünen Wiese und die Kürzung anderer Steuervergünstigungen. Letzteres räumte CDU-Finanzexperte Merz gestern öffentlich ein. Was nicht bedeutet, dass die Blockadepolitik im Bundesrat zu Ende oder eine Einigung zwischen SPD und CDU besonders leicht ist. „Zehn Prozent in drei Jahren reichen nicht“, sagte Eichel gestern zu den Subventionskürzungen, die die Ministerpräsidenten von NRW und Hessen, Peer Steinbrück (SPD) und Roland Koch (CDU), anpeilen. Eichel schwebt eher eine Zahl vor, die in Richtung zehn Prozent pro Jahr geht. Das würde den öffentlichen Haushalten zwei bis drei Milliarden Euro jährlich bringen.

Die brauchen die Finanzminister und Stadtkämmerer dringend – reichen werden sie nicht. Denn anstatt besser zu werden, sind die geschätzten Steuereinnahmen für dieses Jahr nochmals gesunken. 8,7 Milliarden Euro nehmen Bund, Länder und Gemeinden demnach weniger ein, als im vergangenen November prognostiziert. Beim Bund schlägt ein Minus von 3,5 Milliarden zu Buche, bei den Ländern 4,1 Milliarden und bei den Kommunen eine Milliarde.

Nachdem man sich an schlechte Zahlen bei den Gewinnsteuern von Unternehmen schon fast gewöhnt hat, kommen nun Ausfälle bei anderen Steuerarten dazu. So geht die Lohnsteuer zurück. Der Grund: Weniger Beschäftigte zahlen Lohnsteuer auf ihr Einkommen, weil die Zahl der Arbeitnehmer sinkt und die der Arbeitslosen steigt. Außerdem sind Ausfälle bei der Mehrwertsteuer zu verzeichnen. Hier schlägt die geringe Nachfrage der Konsumenten zu Buche – wegen der schlechten Wirtschaftslage geben sie weniger Geld aus. Andererseits ist Deutschlands Erfolg verantwortlich für die zurückgehende Mehrwertsteuer. 2002 wurden Produkte im Wert von 126 Milliarden Euro mehr aus- als eingeführt – ein einsamer Rekord. Da die Mehrwertsteuer aber beim Verkauf im Ausland fällig wird, profitieren davon die Finanzminister anderer Staaten.

Vor diesem Hintergrund weiß der Bundesfinanzminister, dass es extrem „anstrengend“ wird, im Sommer diesen Jahres den Bundeshaushalt 2004 aufzustellen. Die Vorgaben könnten kaum schlechter sein: Die Einnahmen sinken vermutlich weiter, gleichzeitig aber soll die Neuverschuldung zurückgehen. Weil Eichel Steuererhöhungen ausschließt, bleiben nur massive Kürzungen, unter anderem im Sozialbereich. Außerdem deutete der Minister schon mal an, dass er ein „Leistungsmoratorium für die gesamte Wahlperiode“ anstrebe. Was bedeuten soll, dass an keiner Stelle Ausgaben erhöht werden dürfen.

Was Eichel bislang nicht einräumen will: Sein Job wird noch schwieriger, die Schere zwischen sinkenden Einnahmen und steigenden Ausgaben dürfte noch größer ausfallen. Entgegen der Prognose der wichtigen Wirtschaftsforscher geht er von einer unrealistisch hohen Steigerung des Bruttoinlandprodukts von 0,75 Prozent aus. Bewahrheitet sich diese Fehleinschätzung im Laufe des Jahres, hat Eichel sich wieder einmal selbst in die Bredouille gebracht – was seine Position im Gerangel mit der Union nicht gerade stärken dürfte.