: Visionparade
Da werden Träumer zu Ideologen: Der Bund fürs Musicon diskutiert lieber ohne Bedenken
taz ■ Fast wäre die Aufführung des Musicon-Videos an Rückspul-Problemen gescheitert. Wie verhext langt das Tape jedesmal punktgenau beim Beginn des Abspanns an, zum zweiten Mal, zum dritten Mal. Wieder die dramatische Schlussmusik, das Logo des Fördervereins für das Projekt einer von Mode-Architekt Daniel Libeskind entworfene Philharmonie für Bremen erscheint, weiß auf ultramarin, Ende der Television.
Das alles koste ja sehr viel Zeit, gibt Moderator Klaus Bernbacher zu bedenken, ob man nicht einfach besser … „Das wäre sehr bedauerlich“, zischt eine Dame aus der dritten Reihe, „ssßßßehr bedauerlich.“ Weiter hinten ertönt, mühsam gedämpft, schrilles Gelächter, ein Besucher stürzt vom Stuhl. Und siehe, da tritt Kurt Schwitters in den Saal des Modersohn-Becker Museums, der Dadaist, und er schreitet ans Pult und erhebet die Stimme: „fümmsböwötääzääUu…“
Nein, stimmt nicht, aber es liegt halt unglaublich viel Vision in der Raumluft: Statt des toten Dichters sprechen nur quicklebendige Politiker. Matthias Güldner (B90/Die Grünen), Jens Böhrnsen (SPD) und Sigrid Köstermann (CDU). Letztere in Vertretung von Jens Eckhoff, weil der im Fernsehen live die Werder-Hymne singt. Alle drei loben den Libeskind-Plan. Das sei mal eine Vision, und es beeindrucke, wie lange sie schon verfolgt werde. Und auch noch von so vielen Wahlberechtigten! Und sie seien auch ganz gewiss dezidiert nicht dagegen, wenn auch nicht unbedingt um jeden Preis dafür.
Dem Publikum klingt das zu skeptisch. „Das ist schon enttäuschend“, murrt es. „Da hat man mal eine Vision, und dann wird nur von Zahlen geredet.“
Schließlich läuft das Video doch noch von Anfang an. Der Clip sprintet geräuschunterlegt durch eine dreidimensionale Simulation des Entwurfs und endet mit einer Schwindel erregenden Karrussellfahrt im Hauptsaal. Wer zu genau hinguckt, fällt vom Stuhl.
Podiumsdiskussion nennt sich die Veranstaltung. Sie ist öffentlich. Doch was ist das! Frech nutzt Glocke-Geschäftsführer Thomas Weinsberg die Gunst der Stunde und krittelt herum! Er zieht doch glatt in Zweifel, dass Bremen außer seinem Etablissement mit 1.400 Plätzen noch eine Philharmonie mit 2.400 braucht. „Da hat man schon einmal eine Vision“, antwortet es von vorne, „und dann kommen die Bedenkenträger. Das ist schon enttäuschend.“ Recht so. Denn schließlich muss man nur so logisch denken wie die Musicon-Freunde: „Berlin und Osnabrück“, dieser messerscharfe Syllogismus prangt auf Homepage und Flyern des Vereins, „haben einen Libeskind-Bau!“ Andere Städte „bekommen einen Libeskind Bau!“ Woraus Palmström schließt: „Bremen – braucht einen Libeskind-Bau!“ bes