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Archiv-Artikel

berliner szenen Tobe und zürne

Wecker im Irak

Das Babylon Kino am Rosa-Luxemburg Platz ist ganz verlassen an diesem Vormittag. Im Foyer versucht eine Frau ihr lärmendes Kind zu beruhigen, oben am Ende der geschwungenen Treppe im gelben halbrunden Raum sitzt Konstatin Wecker an einem kleinen Tischchen. Es blitzt ständig. Drei Kamerateams filmen, fünf Fotgrafen fotografieren, 25 Journalisten hören zu und machen Notizen.

Das letzte Mal hatte man Wecker Anfang des Jahres in einer leicht surrealen Szenerie im Fernsehen beobachten können. Er saß in einem Café in Bagdad und sang seine Lieder vor irakischen Männern, die ihm leicht befremdet, aber wohlwollend zuhörten. Er habe so viel über den Irak gelesen, die Ohnmacht des Künstlers gespürt, er habe hinfahren müssen, um Distanz zu sich selbst zu finden, erklärt er jetzt. Auf der Rückseite seines neu erschienen Buches „Tobe, zürne, misch dich ein“ steht zu lesen: „Als Konstantin Wecker mit Friedensaktivisten in den Irak fuhr, verhöhnten ihn Zyniker, Abwarter, Realpolitiker vom Dienst.“

„Wie ist die Lage deines Zorns im Vergleich, hat er sich gelegt?“, will der Tischnachbar und Herausgeber des Buches Hans-Dieter Schütt wissen. Das erste Kamerateam beginnt langsam und leise abzubauen. Wecker erzählt von der Reise, den Begegnungen, der Freundlichkeit der Menschen, von Deutschstudenten aus Bagdad und einer irakischen Opernsängerin. Irgendwie sehr symphatisch und feinsinnig wirkt Herr Wecker an diesem Vormittag, gar nicht so das bayrische Urviech, das ins Klavier haut und „Gestern habn’s den Willy erschlogn“ lospoltert. Er hat hat keine Angst, als Weichei zu gelten, sagt er noch, weil es ja im Pentagon genug Harteier gibt.

CHRISTIANE RÖSINGER