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Archiv-Artikel

Abgeordnete zeigen sich die Krallen

Die Polemik ist vorprogrammiert: Heute debattiert das Parlament den Doppelhaushalt. Aber auch nach der Abstimmung wird der Spardruck Berlin erhalten bleiben. Bei den beiden städtischen Zoos kann man sich da nicht ganz so sicher sein

VON RICHARD ROTHER

Generalabrechnung. Heute ist im Abgeordnetenhaus ein Großkampftag angesagt: Die Debatte um den Doppelhaushalt 2004/2005 steht an. Die rot-rote Koalition wird ihren Sparhaushalt als notwendig und ausgewogen präsentieren, die Opposition Konzeptionslosigkeit geißeln.

Darauf ist Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) vorbereitet. Er versteht sich auf Zahlen, präsentiert sie manchmal gar amüsant: Ausgerechnet hat er etwa, was die „umsetzbaren Sparvorschläge“, die die Opposition während der 199 Stunden andauernden Haushaltsberatungen unterbreitet hat, bringen würden: 1,4 Millionen Euro seien es bei der CDU, damit könne Berlin fünf Stunden lang seine Zinsen bezahlen. Die Grünen hätten es auf 7,5 Millionen Euro gebracht, das entspreche 22 Stunden Zinszahlungen. Die FDP schaffe es auf gerade mal 100.000 Euro, Zinsausgaben für 22 Minuten – eine Kaffepause.

So weit die Zahlenspielereien. Bevor es zur Sache geht: Mit dem Doppelhaushalt stehen schließlich Kürzungen im öffentlichen Dienst, bei den Hochschulen und Opern, bei Kindern und Jugendlichen, Behinderten und sozial Schwachen an. Was aber, wenn die Sparmaßnahmen debattiert und – am Ende – durchgewinkt sind? Welche finanzpolitischen Möglichkeiten bleiben dann dem Haushaltsnotlageland Berlin? Schließlich gilt: Nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt.

Zunächst einmal betont Sarrazin, auch über den Doppelhaushalt hinaus müsse der Sparkurs beibehalten werden – trotz anfänglicher Erfolge. Immerhin sei das überdurchschnittliche Ausgabenniveau Berlins in den letzten Jahren gesunken – die Schere zu den Pro-Kopf-Ausgaben anderer Länder schließt sich. 2007 dürfte Berlin das Ausgabenniveau Hamburgs erreicht haben.

Vorher aber richten sich alle Augen nach Karlsruhe, wo Berlin vor dem Bundesverfassungsgericht Sonderhilfen des Bundes und der Länder einklagt. Sarrazin: „Politisch-fiskalisches Wohlverhalten Berlins ist dann besonders angesagt.“ Immerhin 35 Milliarden Euro für den Abbau seiner Schulden will Berlin haben. Gibt es keine Hilfen, steigen die Berliner Schulden von heute rund 52 Milliarden Euro auf rund 88 Milliarden Euro im Jahr 2013.

Eine Länderfusion mit Brandenburg, die für 2009 angepeilt ist, wäre in einem solchen Fall wohl eine Illusion. Insofern dürften politisch die Chancen, Entschuldungshilfen zu bekommen, gar nicht so schlecht stehen. Eine Teilentschuldung Berlins plus Länderfusion, die die Strukturen zweier armer Bundesländer effektivierte, wäre letztlich billiger als der Status quo.

Aber auch ein Erfolg in Karlsruhe dürfte den Spardruck in Berlin nicht wesentlich verändern: eine Teilentschuldung führt lediglich zur Senkung der Zinsausgaben, ändert aber an der Schere zwischen originären Einnahmen und Ausgaben nichts. Auch ein stark überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum würde aufgrund der Systematik im Länderfinanzausgleich nur zu geringeren Mehreinnahmen führen. Dies sei hinreichend bekannt, so Sarrazin. Sogar die beliebte These, ein überduchschnittliches Wachstum würde zu mehr Arbeitsplätzen und damit geringeren Sozialausgaben führen, zweifelt Sarrazin an. In einem solchen Falle würden Qualifizierte eher mehr arbeiten, als dass Unqualifizierte aus der Sozialhilfe kämen.

Zwar schlagen die Einsparungen bei Kitas, Personal und Unis erst ab 2006/2007 im Haushalt durch, aber in den Folgejahren drohen – unabhängig von der Wirtschaftsentwicklung – dem Landeshaushalt weitere Belastungen: etwa durch den Anstieg der Pensionszahlungen, den Abbau der Solidarpaktmittel und aufgrund der unklaren Zukunft der EU-Strukturförderung.

Insofern dürften die beliebten Sparthemen die Berliner auf absehbare Zeit immer wieder beschäftigen: Braucht die Stadt drei Opern, drei Universitäten und zwei Zoos? Und wie effektiv werden die öffentlichen Mittel eigentlich eingesetzt? Fazit: Genug Diskussionsstoff gibt es auch nach der heutigen Generaldebatte. Und Sarrazin spitzt bestimmt schon den Bleistift.