: Aznars Mann fürs Grobe unter Druck
Miguel Platon, Nachrichtenchef der spanischen Nachrichtenagentur EFE, nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau
Miguel Platon versteht sich auf eine ganz besondere Art der Personalführung. Der Nachrichtenchef der spanischen Agentur EFE ist Mentor und Zensor zugleich. Der 54-jährige Platon habe in der Redaktion der staatlichen Agentur „ein System der Manipulation und Zensur“ aufgebaut, um zu verhindern, dass Nachrichten erscheinen, die seinen Dienstherrn, den konservativen Ministerpräsidenten José María Aznar, in Verlegenheit bringen könnten, beklagte jetzt der Betriebsrat. Vor allem in den Tagen seit den Bombenanschlägen auf Pendlerzüge in Madrid soll Platon alle erschienenen Depeschen selbst gegengezeichnet haben. Die Journalisten fordern seinen Rücktritt.
Obwohl EFE bereits wenige Stunden nach dem Anschlag am Donnerstag wusste, dass die Polizei ein Handy mit arabischer Konfiguration gefunden und einen Lieferwagen mit Zündern und einer Korankassette entdeckt hatte, wurde diese Nachricht verschwiegen. Stattdessen wurden die Journalisten angehalten, über die ETA als mögliche Attentäter zu berichten. Als diese nicht mehr mitmachen wollten, setzte sich Platon selbst an den Computer. Selbst am Samstag, als nach Verhaftung der ersten fünf Tatverdächtigen die Spur immer deutlicher zu al-Qaida führte, machte der Nachrichtenchef weiter. Er jagte einmal mehr eine Meldung über die ETA heraus, nachdem er dies mit dem Presseamt der Regierung abgesprochen hatte. Zugleich verbot er seinen Mitarbeitern, Aussagen der Opposition zu verbreiten.
Es war nicht das erste Mal, dass Platon seine Journalisten unter Druck setzte. So drohte er seinen Untergebenen mit Repressalien, sollten sie an Protestaktionen der Berufszunft gegen die Regierung teilnehmen. Platon wurde ein Jahr nach dem Wahlsieg von Aznar 1996 Nachrichtenchef der EFE. Zuvor war er Chef der Politikredaktion der Zeitschrift Epoca gewesen. Unter seiner Regie brach das Wochenmagazin 1996 im Auftrag des frisch gewählten Aznar einen Pressekrieg gegen die Medienholding Prisa vom Zaun. Epoca behauptete damals, Beweise dafür zu haben, dass das Verlagshaus – zu dem neben der linksliberalen Tageszeitung El País auch Canal+ gehört – Gelder der Abonnenten des Pay-TVs veruntreut. Ein konservativer Richter nahm gar Ermittlungen auf. Die Anschuldigungen sollten bald in sich zusammenstürzen.
Platon, der in den 90er-Jahren verschiedene Debattenprogramme im Radiosender der katholischen Bischofskonferenz Cope leitete, soll, so wird in Madrid gemunkelt, dem orthodox-katholischen Laienorden Opus Dei angehören. So nahm sich der Nachrichtenchef höchstpersönlich der Heiligsprechung des Opus-Gründers Monseñor Escrivá de Balaguer an, auf den er wahre Lobgesänge verfasste. In seiner Freizeit schreibt er für ultrakonservative Zeitschriften. Dort kann er so richtig vom Leder ziehen. Er wirft dann den sozialistischen Vorgängern Aznars eine Politik vor, die „dank der Freigabe der Abtreibung für eine dreiviertel Million Tote“ verantwortlich ist. REINER WANDLER