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Archiv-Artikel

Hand aufs Öl

Wer soll wie Iraks Öl vermarkten? Bevor Fördermengen festgelegt werden, wird das staatliche Monopol gebrochen

Fest steht das Versprechen von Präsident Bush, das Öl gehöre allein dem irakischen Volk

aus Washington MICHAEL STRECK

Dass der Wiederaufbau des Irak so schnell wie möglich vonstatten gehen soll, darin sind sich im Prinzip alle Länder einig. Die Zuständigkeiten dabei werden allerdings wohl auch nach der neuen UN-Resolution nicht endgültig beantwortet sein. Eine zentrale Frage für das Gelingen des Wiederaufbaus ist bisher unbeantwortet: Aus welcher Quelle soll das Geld dafür sprudeln?

Die Antwort scheint auf der Hand zu liegen. US-Amerikaner und Iraker hoffen auf das Öl. Der Irak verfügt über die weltweit zweitgrößten Erdölvorkommen nach Saudi-Arabien. Die US-Regierung möchte die Einnahmen aus dem Ölverkauf benutzen, um die Rechnungen für den Aufbau von Schulen, Straßen, Hospitälern zu begleichen und einen Teil des Schuldenbergs von rund 100 Milliarden US-Dollar abzutragen.

Doch bevor es dazu kommt, stellen sich weitere Fragen. Die wichtigsten lauten, wie die Ölindustrie wieder aufgebaut werden kann, wer dafür bezahlen soll, und welche Firmen die lukrativen Aufträge erhalten. Wenigstens fünf Milliarden Dollar werden nach Ansicht von Experten gebraucht, um Iraks Ölwirtschaft auf den Stand von 1979 zu bringen, als die Höchstfördermenge von 3,5 Millionen Barrel täglich erreicht wurde. Dafür müsste die gesamte Infrastruktur – Pipelines, Raffinerien und Förderanlagen – erneuert werden. Mindestdauer: zwei bis drei Jahre.

In den Reihen der Exiliraker herrscht die Vorstellung, die Ölproduktion könne in wenigen Jahren auf vier bis sechs Millionen Barrel pro Tag ausgeweitet werden. Das erscheint jedoch illusorisch. US-Energieminister Spencer Abraham, gerade zurück aus der Golfregion, hält eine rasche Ausweitung der Ölförderung über das Vorkriegsniveau hinaus für unmöglich. Er prognostiziert 1,5 bis 2 Millionen Barrel täglich in „angemessener Zeit“. Höher gesteckte Erwartungen seien in Anbetracht der Schäden an der Infrastruktur unrealistisch.

Die Pläne für die Ankurbelung der Ölindustrie sind bislang noch unausgegoren. Fest steht das immer wieder erneuerte Versprechen von Präsident George W. Bush, das Öl zwischen Basra und Kirkuk gehöre allein dem irakischen Volk und die Einnahmen aus dem Verkauf sollen benutzt werden, um den Wohlstand des Landes zu mehren.

Nach dem Willen der US-Regierung soll ein Irakischer Unterstützungsfonds eingerichtet werden, in den die Erträge aus dem Ölverkauf fließen und der von der irakischen Zentralbank verwaltet wird. Deren Chef ist Peter McPherson, ehemaliger US-Vizefinanzminister und Geschäftsführer der Bank of America. Die USA und ihre Kriegsverbündeten würden demnach entscheiden, wie viel Geld aus dem Fonds entweder für humanitäre Hilfe, Wiederaufbau oder Abrüstung ausgegeben wird. Die irakische Übergangsregierung und die Unterzeichnerstaaten der UNO-Resolution sollten allenfalls konsultiert werden. Vorgesehen ist zumindest ein Aufsichtsgremium aus Vertretern der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und der UNO, das die Ausgaben überprüfen soll, jedoch wenig Einfluss auf die Vergabe der Gelder hat.

Die Auswahl der an der Erneuerung der Infrastruktur beteiligten Unternehmen ist ein Musterbeispiel für den unsensiblen Umgang der US-Regierung mit dem Thema Irak: Der erste Großauftrag über 600 Millionen Dollar ging an Halliburton, jene texanische Energiefirma, der bis vor drei Jahren Vizepräsident Dick Cheney vorstand. Zudem hat Halliburton mit Iran, Irak und Libyen Geschäfte gemacht, als Washington gegen diese Länder ein Embargo verhängt hatte.

Die eigentlichen Schwierigkeiten dürften jedoch erst nach dem Wiederaufbau beginnen. Alle Experten sind sich einig, dass nur mit ausländischer Hilfe die notwendige Modernisierung möglich ist. Bislang jedoch herrscht in den Golfstaaten der „Öl-Nationalismus“ vor: Staatliche Gesellschaften dominieren das Geschäft mit dem Rohstoff, ausländische Anteilseigner sind noch immer verboten. Die Frage der Privatisierung ist Gegenstand einer Arbeitsgruppe des US-Außenamts. Sie schlägt unter anderem vor, 30 Prozent der irakischen Ölgesellschaft an ausländische Investoren zu verkaufen, aber die staatliche Kontrolle zu behalten.

Die New America Foundation, eine unabhängige Denkfabrik in Washington, hat das „Alaska-Modell“ für den Irak ins Spiel gebracht. In Alaska wurde in den 70er-Jahren ein Fonds eingerichtet, in den Gewinne aus der Ölproduktion flossen. Ein Teil wurde für Infrastrukturprojekte in dem Bundesstaat benutzt, ein Teil direkt an die Bürger ausgeschüttet. „Die Einrichtung eines solchen Fonds würde der skeptischen Weltöffentlichkeit zeigen, dass Iraks Öl-Einnahmen direkt der eigenen Bevölkerung zugute kommen“, sagt Vizepräsident Steven Clemons. Amerikas angeschlagenes Images könne auf diesem Wege wieder repariert werden.