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Archiv-Artikel

Schon die Überschrift ist irreführend

betr.: „Rückzug schützt nicht vor Terror“, Kommentar von Dietmar Bartz, taz vom 17. 3. 04

Natürlich ist eine so schwierige Situation redlicherweise nur mit einem „Sowohl-als-auch“ zu umschreiben. Wenn der Kommentator schreibt, dass es ehrenhaft ist, der arabischen oder islamischen Gesellschaft eine größere Wertschätzung entgegenzubringen, und das „Beiprodukt“ – Antidiskriminierung, Antirassismus – sei erfreulich, so hat er damit zweifelsfrei Recht, obwohl das „Beiprodukt“ schon eher das „Hauptmenü“ ist.

Was mir weniger gefällt bzw. zu „zaghaft“ und skeptisch erscheint, sind die deutlich erkennbaren Zweifel, dass die erwähnten, sehr positiven Auswirkungen doch eher nicht ins Gewicht fallen würden. Das wird dann auch sehr deutlich in dem letzten Absatz, wonach das alles keinen Einfluss auf terroristische Anschläge haben wird. Dieser Auffassung bin ich nun allerdings nicht. Es wird sicher, wenn auch nicht bei den unbelehrbaren, extremistischen Terroristen selbst, aber dennoch in der islamischen und arabischen Welt, enorme Auswirkungen haben können.

Der Kommentator sollte selbst viel mehr an seine sehr gut beschriebene Grundannahme glauben, die sich aus dem beabsichtigten Verhalten der zukünftigen spanischen Regierung ableitet. In diesem Zusammenhang ist sehr gut und realistisch vorstellbar, wenn auch andere westliche Regierungen dem spanischen Beispiel folgen, dass es in der Tat Auswirkungen, z. B. in Form von weniger Anschlägen, geben wird. Schließlich ist für die „operativen“ Terroristen das Umfeld, sind die moralischen bzw. geistigen Unterstützer von enormer Wichtigkeit. Deshalb meine ich schon, ein neues Denken wie in Spanien ist sicher nicht „kaum weniger furchtbar“, sondern kann eher zu neuen Hoffnungen, ja sogar Zuversicht Anlass geben. Denn eines dürfte doch nun wirklich langsam klar geworden sein, die Verfechter einer ausschließlichen, repressiven Militärinterventions- oder gar Kriegslogik werden sicher keine Veränderungen zum Besseren erreichen können. JUTTA SCHREPFER, Bochum

Schon die Überschrift ist irreführend, weil es vor Terror in Demokratien kaum einen Schutz gibt. Wollen Sie im Ernst der US-Allianz beistehen? Bitte lassen Sie uns nicht vergessen, dass die USA unter Rumsfeld damals Saddam Hussein installierten, gegen den Willen der Iraker, und ihren „son of a bitch“ jahrelang unterstützten im Krieg gegen den Iran und damit die Region destabilisiert haben. Glauben Sie im Ernst, dass ausländische Truppen letztlich mit Gewalt den Irak stabilisieren könnten?

Ihre Äußerungen klingen am Ende schon ziemlich neokolonialistisch nach dem Motto: Den dummen schlimmen Nahost-Muslimen muss der Westen Struktur und Demokratie beibringen. Dieses vielleicht ungewollt arrogante Überlegenheitsdenken hat in den letzten Jahrzehnten zu den Problemen geführt, die wir dort und zunehmend auch hier haben. Die EU und USA haben in ihren Ländern schon zu viele ungelöste Probleme. Ihre Logik im vorletzten Satz ist total daneben: Natürlich haben sich die Irak-Krieger-Nationen eines Angriffskriegs auf Grundlage von Lügen schuldig gemacht, Sie haben wohl Zapateros Äußerungen überhört. Natürlich haben sich Aznar, Blair u. a. schuldig gemacht, weil sie gegen den Willen von 90 Prozent der Bevölkerung in der Frage Krieg oder nicht Krieg Warrior-Bush wie ein Hündchen hinterhergedackelt sind. Ist das für Sie Demokratie? Diese Regierungen sind schuldig, die Spanier nicht, sie haben Aznar die Quittung verpasst, und das ist wirklich gut.

WOLFGANG SCHWARZ, Winsen

Wenn es ein Ereignis der letzten Jahre gegeben hat, das al-Qaida voll in die Hände gespielt hat, dann war es der Krieg gegen Irak und seine Besetzung. Zapateros mutiges Vorgehen bietet nun die einzigartige Möglichkeit, eine eigenständige europäische Nahostpolitik zu formulieren jenseits des Abenteurertums der Bush-Administration. Zapatero hat auch nie den bedingungslosen Rückzug der Spanier angekündigt, sondern bei einem UNO-Mandat ein Bleiben zugesichert. Wer sich wie Herr Bartz gegen eine solche Haltung ausspricht, der fordert implizit, dass man in seiner Irakpolitik bedingungslos auf Gedeih und Verderb den USA zu folgen hat (Stichwort: Nibelungentreue). Das ist das genaue Gegenteil von überlegter Politik und spielt al-Qaida erst recht in die Hände.

Mir hat auch bisher noch niemand erklären können, welchen Beitrag der Irakkrieg im Kampf gegen den Terror geleistet hat. Nichts Besseres als die Destabilisierung des Irak konnte al-Qaida doch passieren, und jedes weitere Anhalten der Besatzung wird diese noch weiter vorantreiben. Am Ende hat man dann im Zweistromland eine einzige riesige Westbank in der zehnfachen Potenz als Ergebnis einer Politik der „Stärke“. Zapatero und die spanischen Wähler haben den richtigen Weg gewiesen, um ein solches Schreckensszenario zu vermeiden. Im Übrigen, wie soll ein Rückzug der Spanier die Gewaltbereitschaft von al-Qaida noch steigern? Es gibt da nicht mehr viel zu steigern. Neue Anschläge werden versucht, egal was der Westen macht. Wir haben aber sehr wohl durch unsere Politik einen Einfluss darauf, wie viel Rückhalt al-Qaida in der arabischen Welt findet. Abschließend sei noch angemerkt, dass, wer meint, Spanien sei geradezu moralisch verpflichtet, seine Truppen im Irak zu halten, keine Argumente mehr gegen Bundeswehreinheiten an Euphrat und Tigris hat. MICHAEL KOPSIDIS, Halle