: Das Schlampstück der Schlapphüte
Regenbogen im Visier des Hamburger Verfassungsschutzes: Wie mit Falsch-Informationen und vagen Andeutungen zwei Kandidatinnen für die Bürgerschaftswahl in die staatsfeindliche Ecke gestellt werden sollen
Von MARCO CARINI
Wer die Homepage des Hamburger Verfassungsschutzes anklickt, bekommt gleich auf der Eingangsseite eine hochbrisante Lektüre angeboten. „Linksextremisten kandidieren auf offener Regenbogen-Liste“ heißt der Wahlnachklapp der besonderen Art, dessen Titel schon den Tenor des Papiers offen legt. Das linke Wahlbündnis soll mit Macht in die extremistische, verfassungsfeindliche Ecke gerückt werden.
Der Hauptfeind der Schlapphüte steht mal wieder links, der Kampfbegriff „linksextremistisch“ wird zur Allzweckwaffe. Kein anderes Thema schaffte es, den Regenbogen von der Poleposition des Internetauftritts zu verdrängen. Bei näherer Betrachtung enttarnt sich der Bericht als krudes Sammelsurium von Allgemeinplätzen, Unterstellungen und krassen Falschinformationen. Ein Schlampstück auf beachtlich tiefem Niveau.
Auf munter geschriebenen vier Seiten wird die dünne These, dass unter dem Regenbogen-Mantel Mitglieder linksextremistischer Organisationen geschlüpft waren, zu Tode variiert. Dass die linke Alternative selbst bei jeder ihrer Stellungnahmen offensiv bekannte, als breites Bündnis unter Einschluss so gefährlicher Parteien wie der DKP, der PDS oder der „Sozialistischen Alternative“ (SAV) zur Wahl anzutreten, mindert den Neuigkeitswert des Verfassungsschutz-Pamphlets wesentlich.
Wirklich neu sind nur die Beweise, mit dem diese altbekannten Fakten untermauert werden. Schon die Behauptung, außer der Spitzenkandidatin Heike Sudmann hätten „diesmal keine ehemaligen Bürgerschaftskandidaten von Regenbogen auf dem Wahlvorschlag für die Bürgerschaft“ gestanden, wird schon durch die Kandidatur der Ex-Bürgerschaftlerin Julia Koppke widerlegt.
Brisanter aber ist eine andere Behauptung: Die Studentin Lena B., die auf Platz 9 der Regenbogenliste kandidierte, wird in dem Bericht fälschlicherweise zum Mitglied der „trotzkistischen“ SAV gemacht. „Ein bedauerlicher Irrtum unsererseits“, räumt Verfassungsschützer Jan Kapusta zerknirscht ein: „Wir haben das inzwischen korrigiert.“
Tatsächlich redigierte das Amt die AStA-Referentin Ende vergangener Woche aus dem Bericht, nachdem es ein Schreiben ihrer Anwältin Ilka Hoffmann erhalten hatte. Die Juristin wirft den Schützern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung darin „wahrheitswidrige Äußerungen“ vor, die „geeignet“ seien, ihre „Mandantin in der Öffentlichkeit zu diskreditieren“.
Subtiler geht das Amt der Lauscher und Luscherer beim Versuch vor, die Regenbogen-Frontfrau Heike Sudmann zur Staatsfeindin zu stempeln. In dem Bericht heißt es wörtlich: „Zum antikapitalistischen Lager innerhalb des Regenbogens scheinen sich nicht nur die Vertreter der linksextremistischen Organisationen PDS, DKP und SAV zu zählen, auch die Spitzenkandidatin Heike Sudmann äußerte gegenüber der taz, man brauche letzlich eine Politik, „die auch das kapitalistische System in Frage stellt“. Wo Belege fehlen, werden ideologische Gemeinsamkeiten suggeriert. „Wir stellen hier eine Frage in den Raum, ohne sie zu beantworten“, erklärt Verfassungsschützer Kapusta die faktenfreie Methodik. Irgendwas wird da schon hängen bleiben.
Sudmann, die ebenfalls juristische Schritte gegen den Bericht prüft, ist entsetzt darüber, wie ihr „mit fragwürdigen Analogien ein linksextremistisches Etikett aufgedrückt“ wird. Schließlich sei jedes System, „das sich nicht mehr infrage stelle oder ungestraft in Frage gestellt werden dürfe, ein System, das tot ist“. Für die 41-jährige Mitarbeiterin in der Bildungsbehörde ist es deshalb ein Skandal, „dass es genügt, Kritik an der Agenda 2010 und am kapitalistischen System zu üben, um vom Verfassungsschutz ausgeforscht und abgestempelt zu werden“.