WOCHENÜBERSICHT: LAUTSPRECHER : Jörg Sundermeier sichtet die soziale Bewegung in der Stadt
Holla, plötzlich ist Literaturzeit im radikalen Spektrum. Am Donnerstag wird im BAIZ über Heiner Müller gesprochen, also den großen, dunklen, raunenden, kassengestellbebrillten, tiefdeutschen Heinermüller, jenen Autor der großartigen Stücke „Mauser“ und „Traktor“ ebenso wie des sein Thema nicht mehr bewältigen könnenden – na ja – Dramas „Germania 3“. Die Referierenden, die, wieder einmal, keine Namen haben, wollen sich mit dem auseinander setzen, was aus einer linken Perspektive übrig bleibt, wenn man von dem Werk Müllers all das abzieht, was zu seiner Selbstinszenierung gehörte. Denn Heiner Müller, dessen Texte sich ja eben sehr lohnen (und sei es nur, um ihre kabarettistischen Methoden zu entlarven), ist mit seiner Tragik, die er aus Deutschtum und Geschlechterkampf ableiten wollte, seinen eigenen Prämissen in die Falle gegangen – vielleicht ist der Geschlechterkampf gar nicht natürlich? Deutsch kein Schicksal? Geschichte nicht unabwendbar? Wie auch immer, weil sich der Anlass bietet, sei doch ein großes Müllerwort zitiert: „Natürlich sind zehn Deutsche immer dümmer als fünf.“ Ebenfalls literarisch soll es am Freitag im FAU-Lokal zugehen, dort wird, aus Anlass seines 110. Geburtstags, Oskar Maria Graf vorgestellt, ein erdiger bayerischer Anarchist, dem die Veranstalter (ich fürchte leider: nicht -Innen) eine, wörtlich, Handfestigkeit andichten wollen, die allerdings den Graf’schen Literaturbegriff doch ein bisschen zu sehr auf eine arg breitbeinige Ästhetik zusammenschmälert. Da tut man Graf offensichtlich Unrecht, eher haben wir es wohl mit einer Projektion der FAUler auf ihn zu tun. Wenn geschrieben wird: „Zum Anarchismus kam er wie die Jungfrau zum Kind“, ebenso wie der Satz, dass man nach der, wie gesagt, Handfestigkeit „geradezu jiepert“, dann belegt das diese These. Graf ist dennoch gut.