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Archiv-Artikel

Explodierende Kapseln, besänftigendes Kraut

Ochsenherztomate, Balsamine, Elefantenrüssel und Pimpinelle gedeihen auch in selbst kontrolliertem Anbau

Ein Aufschrei geht durch die vegetarischen Gefilde. Aber keine Angst. Auch wenn die Gute „Ochsenherztomate“ heißt – sie ist garantiert fleischlos und die Rettung aller krisengebeutelten Partnerschaften. „Schatz, ich habe dir ein Herz geerntet. Jetzt kannst du es essen.“ Dauert aber ein bisschen. Ausgesät werden sie in Töpfe ab Ende Februar (Keimtemperatur ab ca. 20 Grad), nach zwei bis drei Wochen dann pikiert und an einen sonnigen und windgeschützten Standort gestellt. Das aber erst so gegen Ende Mai, weil die Pflanze spätfrostgefährdet ist.

Um die 1925 eingeführte Sorte auch auf dem Balkon sprießen zu lassen, sollte die Wasserversorgung während der heißen Tage sichergestellt sein. Aber wer hat heute noch das Geld, den Sommerurlaub außerhalb des Eigenheimes zu verbringen.

Balsamine. Das geht runter wie Öl. Doch nur im übertragenen Sinn. Essen kann man die 30 Zentimeter hohen, fuchsienfarbigen Blüher, die einen nährstoffreichen feuchten Boden und viel Sonneneinstrahlung benötigen, nicht. Dafür isst das Auge, wenn die Balsamine ihren Blütenstand entfaltet. Wer einen Garten hat, pflanzt sie ins Beet. Sie ist aber so genügsam und bescheiden, dass sie auch im Balkonkasten gedeiht.

Impatiens balsamina, so die lateinischer Koseform der Blume, trägt ihre Haupteigenschaft im Namen: Sie ist verdammt ungeduldig. Wächst rasch. Verleugnen, dass sie aus der Familie der Springkrautgewächse kommt, hat sie nicht nötig. Denn wenn Pflanzen reden könnten, würde sie sagen: „Rühr mich nicht an! Sonst explodiere ich.“ Das tut sie aber nur, wenn die Samen in den Kapseln reif sind und diese bei der kleinsten Erschütterung in alle Richtungen geschleudert werden.

Wenige wissen, dass die heute so selbstverständlich verspeiste Paprika erst seit den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts in Ungarn gezüchtet wurde. Und noch viel weniger, dass es eine Peperonisorte namens Elefantenrüssel gibt. Die ist spitz und gelb und stellt mit der Schärfe, die sie in sich trägt, die Tränendrüsen auf die Probe. Gemüsepaprika und Chilli haben es gerne warm und benötigen Keimtemperaturen so um die 22 Grad.

Aussaat ist von Februar bis April, dann schnell ins Gewächshaus, oder ab Ende Mai an einem sonnigen und windgeschützten Gartenplatz. Die Tränen kommen einem im August oder September. Da ist Erntezeit, Freudezeit und Speisezeit.

Dill und Petersilie hatten wir alle schon mal in der schlanken Kräuterzeile auf der Fensterbank zu Gast. Bei der Frage nach der Pimpinelle (Sanguisorba officinalis) erntet man nur Kopfschütteln oder Schulterzucken. Warum eigentlich? Ist diese Staude doch so vielseitig einsetzbar. In der Küche verwöhnen ihre Blätter Salate, Butterschnitten, Essig oder Fisch; Hessen kennen sie als Bestandteil der „Grünen Soße“. Von diesem Nährwert abgesehen, beschleunigt sie als Tee Genesungsprozesse, wie Entzündungen des Zahnfleisches und Rachenraumes oder besänftigt Leber- und Gallenbeschwerden.

Zu diesen Multitalenten der Pimpinelle gesellt sich eine willkommene Anspruchslosigkeit. Ihr ist es ziemlich gleich, ob sie im Halbschatten oder praller Sonne aufwächst. Feucht und kalkhaltig sollte der Boden aber sein, nicht nass. Aussaat im Freiland von Ende April bis August und fröhliches Ernten bis in den späten Herbst. NIKE WILHELMS