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Archiv-Artikel

Angst vor übervorsorglichem Staat

betr.: Rückzug spanischer Truppen aus dem Irak

Die jüngste Politik Spaniens stößt auf Kritik von deutschen konservativen Politikern, fragwürdigen Sicherheitsexperten und weiteren Panikmachern. Teilweise werden Fakten verdreht, die ich gern klar stelle: Der Rückzug der spanischen Militärtruppen aus dem Irak ist keine Forderung, die eine eingeschüchterte Gesellschaft erst nach dem Anschlag in Madrid gestellt hat. Die ultrakonservative Regierung von Aznar stellte sich gegen 90 Prozent der Bevölkerung, als sie das Land in einen völkerrechtswidrigen Krieg verwickelte. Die heutige Forderung ist also mindestens seit Kriegsbeginn gestellt worden und keineswegs verjährt.

Der zukünftige Präsident von Spanien, José Luis Rodríguez Zapatero, hat sich während des gesamten Wahlkampfs als Kriegsgegner positioniert. Seine Rückzugsentscheidung mag also in Europa überraschend kommen, nicht aber in Spanien. Würde er nicht so handeln, würde er seine Ideen und seine Wähler betrügen. Stellen wir uns vor, dass Zapatero den Rückzug aufgäbe mit dem Motto, „bloß nicht die Terroristen denken lassen, sie haben Erfolg gehabt“. Das würde zunächst implizieren, sich in die Logik des Terrorismus entführen zu lassen. Das freie Handeln einer Regierung, wenn nicht sogar die Souveränität des Staates wären damit eng beschränkt. Es ist sehr wichtig, dass Zapatero den Rückzug spanischer Truppen anordnet. Andernfalls würde man sich zum zweiten Mal über die massive Kriegsablehnung der spanischen Bevölkerung hinwegsetzen. Das ist schwer mit einem demokratischen System zu vereinbaren.

Zuletzt möchte ich meine persönliche Erfahrung mitteilen. Ich bin in Barcelona 1974 geboren. Mein Leben lang musste ich mich damit abfinden, in einem Land mit einer aktiven terroristischen Organisation aufzuwachsen. Ich trage meine Angst mit mir, nicht vor einem Anschlag, sondern vor einem übervorsorglichen Staat. Das erscheint mir eine reale Bedrohung. Der Angriff auf individuelle und kollektive Rechte und Freiheiten mag eine sichere Welt schaffen. Sie könnte aber so sicher und aseptisch werden wie ein Labor, in dem Leben nur künstlich entstehen kann. ELISABET POVEDA, Berlin