: Wenn der Angebetete nicht mehr beten darf
Die „Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen“ kämpft seit zwanzig Jahren gegen den Zölibat-Zwang
FRANKFURT/MAIN taz ■ Martina Caldenhoven war Gasthörerin an einer hessischen Hochschule. Nachdem ihr späterer Mann der Studentin seine Liebe gestanden hatte, verbrachten die beiden zunächst ein paar wilde Monate. Dann folgten berufsbedingte Trennung, Briefe, Telefonate; die Beziehung überdauerte Streit und Spannungen. Schließlich zogen die beiden nicht nur in eine gemeinsame Wohnung, sondern auch vor den Traualtar. Eine ganz normale Geschichte – wäre die Universität nicht die Philosophisch-Theologische Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main gewesen, Caldenhoven nicht Studentin der Theologie und ihr Mann nicht jesuitischer Ordensmann und Priester.
Martina Caldenhoven ist heute stellvertretende Vorsitzende der „Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen“ (VkPF) der am Wochenende in Wiesbaden sein zwanzigjähriges Bestehen feierte. Caldenhoven wusste, was auf sie zu kam, als sie ihrem Angebeteten das Jawort gab: Verbot der Amtsausübung und Ausschluss aus dem Orden für ihren Mann, schlechte Berufsaussichten, niedrige Rente. Die beiden waren darauf vorbereitet – der Mann hatte seine Umschulung zum Krankenpfleger schon organisiert.
Priester mit Frauen, Kindern oder Ehewunsch sind, so Caldenhoven, „noch immer eines der größten Tabuthemen der katholischen Amtskirche“. Männer, die sich zu ihrer Familie bekennen, werden aus dem Amt geworfen und stehen vor dem Nichts. Viele flüchten sich in die Heimlichkeit. „Sie geraten in Panik und ziehen sich hinter den Altar zurück, wenn die Frauen Ansprüche stellen“, sagt Caldenhoven. Doch viele Frauen nehmen dieses Versteckspiel auf sich. Die Lasten zwischen Männern und Frauen sind ohnehin ungleich verteilt. Die Männer stehen im Fall einer Trennung unter dem Schutz der Kirche. Frauen, die für die Kirche arbeiten, werden fristlos entlassen, wenn ihr Verhältnis bekannt wird.
Die Ehelosigkeit für Priester, das so genannte Zölibat, wurde im Jahr 1139 vom zweiten Laterankonzil beschlossen. Seine Abschaffung ist die wichtigste Forderung des VkPF – doch die Chancen für ihre Durchsetzung stehen schlecht. Der Verein setzt sich für Standards für einen „halbwegs menschlichen“ Umgang mit den Betroffenen ein. So sollen Priester nach der Eheschließung eine andere Tätigkeit in der Kirche angeboten bekommen und eine bessere Altersversorgung erhalten. Frauen, die für die Kirche arbeiten, sollen nicht mehr entlassen werden dürfen. Priester sollen den so genannten Dispens, also die Erlaubnis zur kirchlichen Trauung, bei ihrem Ausscheiden und nicht erst – wie bisher – im Alter von vierzig Jahren bekommen.
Der Vorsitzende und Mitbegründer des VkPF, Ernst Sillmann, wurde „in der tristen Nachkriegszeit“ Jesuit. Als junger Mann dachte er nicht an die Ehe. Er suchte in der Kirche seine Heimat, ließ sich zum Priester weihen. Erst später merkte er, dass er die Ehelosigkeit nicht akzeptieren wollte. Sein Orden „war sehr großzügig“ und bot ihm ein Lehramtsstudium an.
Heute zählt der VkPF rund 300 Mitglieder. Er berät Priester, die über einen Ausstieg aus ihrem Amt nachdenken, und bietet Hilfe in Notsituationen an. Meist melden sich zuerst die Frauen, die sonst mit niemandem über ihre Beziehung reden können. In letzter Zeit haben auch einige Kinder aus Priesterehen um Rat angefragt.
Caldenhoven und Sillmann kritisieren die „Scheinheiligkeit“ der Kirche. In manchen Fällen werde Frauen zur Abtreibung geraten, in einem anderen Fall bezahle der Orden Geld – weil die Frau einmal im Jahr vor der Klosterpforte erscheine und damit drohe, an die Öffentlichkeit zu gehen. HEIDE PLATEN