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: Unterhaching wieder auf dem Weg nach oben

„Hurra, das ganze Dorf ist da!“

Der Bus steht immer noch da. Die Blaskapelle? Logisch, die fehlt nie. Und der Verrückte, der bei jedem Wetter in der kurzen Hose neben der Reservebank hockt, der ist natürlich auch noch da. Irgendwie schön, Vertrautes an gewohnter Stelle zu finden. Ein bisschen wie nach Hause kommen. Man kennt die Gesichter, hat zunächst nicht die Namen dazu, aber bald fällt einem alles wieder ein: Wolfgang Binderberger heißt er, der König aller abgehärteten Mannschaftsbetreuer, bei dem immer noch keine Frostbeulen an den blanken Beinen zu sehen sind. Die Kapelle hieß Blechschaden, ihr Chef Bob Ross, und dass sie jetzt statt rechts der Haupttribüne links davon auf der überdachten Terrasse des schicken VIP-Hauses pusten und trommeln – geschenkt. Das besondere Kennzeichen dieses Stadions war und ist aber der Busparkplatz für die Gastmannschaft. Keine Ahnung, warum der ausgerechnet an der einzigen Mini-Steigung weit und breit sein muss, keine zehn Meter von der Eckfahne entfernt.

Willkommen im Sportpark, willkommen bei der SpVgg Unterhaching, willkommen in der 2. Liga! Haching ist wieder drin, aufgestiegen aus der Regionalliga Süd, trotz eines mageren 2:2 gegen die Sportfreunde Siegen. Die „schwierigste Saison der Vereinsgeschichte“ habe man durchgemacht, sagt Engelbert Kupka, der Präsident. Er muss es wissen: Seit 30 Jahren ist der 64-Jährige Vereinspräsident. Damals war er Bürgermeister und der Klub spielte in der B-Klasse. Es folgten zig Auf- und einige Abstiege; am Sonntag feierte man den vierten Aufstieg in die zweite Liga – ein unerwarteter Erfolg.

Die Saison hatte nämlich in Frankfurt begonnen, und dort wurden gleich mehrere Partien ausgetragen, mit wechselndem Ergebnis: Zunächst durfte die wie immer finanzklamme Eintracht Frankfurt zweite Liga spielen, dann wieder die grundsoliden, aber lobbyschwachen Hachinger und umgekehrt. Ein paar Wochen ging das so an der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt, dem Sitz des Deutschen Fußball-Bundes – ein Trauerspiel. Der Underdog blieb schließlich unten, und sollte die Eintracht tatsächlich den Aufstieg in Liga eins schaffen, wäre das nicht frei von Pikanterie.

Haching startete schlecht: nach vier Spieltagen Vorletzter. Doch bald griff das offensive Konzept des neuen Trainers Wolfgang Frank (101 Bundesligatore für Braunschweig, Dortmund, Nürnberg) und die Fieberkurve zeigte nur mehr nach oben. Drei Spieltage vor Saisonende steht die SpVgg nun vor Regensburg und Augsburg als Aufsteiger fest.

Doch so viel auch gleich geblieben sein mag, so viel hat sich verändert im Unterhachinger Sportpark. Die Werbebanden: nicht mehr so einheitsrot wie unter dem Alleinsponsor Eric Lejeune, sondern schön durchgemischt. Als neuer Hauptsponsor wurde eine Versicherung gewonnen, die mit dem Slogan wirbt: „Gemeinsam sind wir stark.“ So könnte auch das Vereinsmotto der SpVgg lauten.

Die schönste Neuerung aber ist auf dem Platz zu finden: Es wird Fußball gespielt, nicht nur verteidigt wie unter Betontrainer Lorenz-Günther Köstner. Bestes Beispiel: Francisco Copado, ein ballverliebter Fummler mit weißen Kickstiefeln. Drei Jahre ist der in Deutschland geborene Spanier schon in Haching, doch richtig gut wurde er erst in dieser Saison. Köstner warf ihn einst aus dem Kader, als er nach einer Disco-Nacht mit Gipsarm zum Training kam. Der einstige Pädagogikstudent Frank (zwei Semester) bog ihn zurecht, Copado wurde mit 22 Treffern zum Torjäger und Publikumsliebling. Überhaupt, die Offensive: 71 Tore in 32 Spielen – so sturmfreudig war die SpVgg seit acht Jahren nicht mehr. Hinten hat sich nicht viel getan, da steht mit Bucher, Grassow, Seifert und Strehmel die Bundesliga-Abwehr, davor zaubert zuweilen Matthias Zimmermann, unterstützt vom Ex-Bochumer Matthias Lust. So weit die Oldies – im Kader sind aber 13 Kicker unter 24, und die drei Zugänge (Barut, FC Bayern Amateure, Holzer, 1860 Amateure, Lechleitner, Ismaning) werden den Schnitt nicht verderben.

Auf der Tribüne ist das Durchschnittsalter gut doppelt so hoch, da halfen auch die 150 Jugendmannschaften nicht, die am Sonntag für die stattliche Zuschauerzahl von 4.800 sorgten. 13 Siege, 4 Unentschieden, 0 Niederlagen – eine prima Heimbilanz, die aber nur eine sehr kontrollierte Fan-Offensive auslöst. In Haching braucht man keine Angst zu haben, dass das Spielfeld gestürmt wird, da muss der Stadionsprecher die Fans bitten, „noch ein paar Minuten zu bleiben, weil sich die Mannschaft bedanken will“. Auf zwei zusammengebosselten Bettlaken begrüßen die Cheerleader in Krakelschrift ihre Helden in Liga zwo. Dort werden die Hachinger auf Vertrautes treffen: Köstner in Karlsruhe, Mini-Stadien in Trier und Burghausen. Und überall werden die Gesänge gleich hämisch sein: „Hurra, das ganze Dorf ist da.“

THOMAS BECKER