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Archiv-Artikel

Eine Megaleistung!

Mit den Superstars ist es so wie mit dem Irakkrieg: Ein menschenverachtendes Projekt hat Erfolg – auch in Berlin

Im Vorfeld hatte es böse Gerüchte gegeben: Großer Krach bei den Superstars! Daniel und Alex müssen getrennt fahren! Die früher Ausgeschiedenen sind sauer, weil sie weniger Solosongs singen dürfen! Und Vanessa sagte der Bravo: „Ich hasse Daniel“!

Beim gemeinsamen Konzert in der Berlin-Arena wirkte am Wochenende aber alles ganz harmonisch. 8.000 Fans waren gekommen, die Sitzplätze im Velodromrund waren restlos belegt. Im Innenbereich vor der Bühne bei den Kinder und Teenagern gab es allerdings viel Platz. Geduldige junge Eltern trugen dort ihren Nachwuchs stundenlang auf den Schultern, der wiederum hielt beschriftete Pappschilder mit Grußbotschaften hoch.

Und überall Jubel, Jubel, Jubel. Dieter Bohlen im eierschalfarbenen Sommeranzug macht den Zeremonienmeister, heizt die Menge auf, sagt die Sänger an. Andrea, recht früh abgewählt, ist schwanger, was Bohlen natürlich ausnützt, um onkelhaft auf ihr gewachsenes Bäuchlein hinzuweisen. Sie performt eine Coverversion, und er lobt, ganz so, als säße er noch in der Jury: „Andrea, für erkältet war das eine Megaleistung!“ Erste Spannungen spürt man bei Juliettes Auftritt. Sie hat sich nämlich Dieters Angebot verweigert und will ohne ihn Karriere machen. Deshalb fragt Dieter ein bisschen hinterhältig, wann endlich ihre Single kommt. „Aber du hast rattenscharfe Fotos gemacht“, setzt er versöhnlich hinterher.

Die Show ist hierarchisch gestaltet. Nur die drei Finalisten werden von einer Tänzergruppe umschwärmt und dürfen mehrere Titel solo singen. Alexander, als „Euer Superstar!“ angekündigt“, singt seinen Hit „Take Me Tonight“ im weißen Anzug. Beim Eightiesschocker „Maniac“ versuchen sich wild sexualisierte Tänzerinnen fordernd an ihm zu reiben. Alex aber stößt sie angewidert weg, rennt die Showtreppe hoch, um dort verzückt, auf Knien und unter Zuckungen dem langhaarigen Gitarristen mit der Neongitarre zu lauschen.

Nach der Pause schwebt Daniel Küblböck als Superman herab, trägt an Seilen hängend seine aktuelle Single vor und macht dabei sogar mehrere Überschläge rückwärts. Leider trifft der Kindergärtner keinen einzigen Ton. Er singt so dermaßen falsch – davon wird selbst in Brandenburg noch die Milch sauer.

So geht es immer weiter. Die Superstars bringen noch ein 70er-bis-80er-Medley. Juliette und Alex singen noch jeweils eine Gefühlsballade, dazu sorgt die Großelterngeneration in den Rängen mit den Phosphor-Winkelementen für eine krasse Lightshow. 30-jährige Alex-Fans zeigen sich gegenseitig stolz die Gäsehaut am Unterarm.

Fazit: Mit den Superstars ist es wie mit dem Irakkrieg. Es sieht im Moment so aus, als ob ein menschenverachtendes Projekt Erfolg hätte. Die Protagonisten haben es in die Charts geschafft, die Hysterie hält dank Bild, Viva und Bohlen weiter an.

Liegt das nur an der Macht des Fernsehens, der Pseudodemokratisierung der Charts, der Illusion der Fans, ihre Stars selbst gewählt zu haben? Ist es vielleicht doch eher ein ironischer Genuss, die Lust am Trash, an der sichtbaren Ekelhaftigkeit der musikindustriellen Machenschaften? Oder haben Heranwachsende das grausame Leistungs- und Auswahlprinzip so verinnerlicht und identifizieren sie sich deshalb so stark mit einer Show, in der immer wieder die Sekundärtugenden Disziplin, Selbstverleugnung, Fleiß gefordert werden? Man weiß es nicht.

Was weiß man schon nach so einer Show? Höchstens, dass Alex wirklich furchbar normal ist, sogar zu normal für eine zukünftige Psychose oder interessante Drogensucht. Bei Daniel dagegen kann man bald ein endgültiges Durchdrehen erwarten. Er sollte von seinen jetztigen Einnahmen schon mal schön was zurücklegen für die vielen Therapiestunden, die noch auf ihn zukommen. CHRISTIANE RÖSINGER