piwik no script img

Archiv-Artikel

Robuste Kongo-Truppe nimmt Gestalt an

Experten befürworten afrikanisch-europäischen Einsatz gegen die „Milizen aus Kindersoldaten“ in der Stadt Bunia

BERLIN taz ■ Zwölf Logistiker der französischen Marineinfanterie sind am Sonntag in der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo eingetroffen, um die Entsendung einer internationalen Eingreiftruppe in die nordostkongolesische Stadt Bunia vorzubereiten. Die Militärs sollen aus Kinshasa nach Bunia weiterreisen, wo in den vergangenen zwei Wochen hunderte von Menschen bei blutigen gegenseitigen Massakern von Milizen der Hema- und Lendu-Völker ums Leben gekommen sind. Weil die in Bunia stationierten UN-Blauhelme als unfähig gelten, die Milizen in Schach zu halten, hatte UN-Generalsekretär Kofi Annan vor einer Woche Frankreich, Großbritannien und andere Länder um die Aufstellung einer robusten Eingreiftruppe gebeten. Der UN-Sicherheitsrat billigte diese Bemühungen am Freitag.

Ein robuster ausländischer Militäreinsatz in Bunia sei „notwendig“, meint Nicaise Kibel Bel’Oka, Chefredakteur der nordostkongolesischen Zeitung Les Coulisses. Er sieht zwei dringende Aufgaben für die Truppe: Ermöglichen von Hilfe für die „über 100.000 Flüchtlinge im Wald“, die vor den Kämpfen in Bunia geflohen sind, und ein hartes Vorgehen gegen „die Milizen aus drogenabhängigen Kindersoldaten, die die Stadt kontrollieren“. Die Hoffnung des Kongolesen: „Die Truppe wird nicht akzeptieren, dass man sich ihr entgegenstellt. Sie wird das Einsickern von Waffen verhindern, alle Warlords und ihre bewaffneten Kinder zwecks Entwaffnung sammeln und die Zivilbevölkerung sichern.“

Markus Sack, aus Bunia evakuierter Leiter der Deutschen Welthungerhilfe, befürwortet den Einsatz ebenfalls: „Ohne starke militärische Kräfte wird es nicht möglich sein, die kämpfenden Parteien dauerhaft zu trennen.“ Für den Einsatz sieht der ehemalige Soldat drei Phasen: die Besetzung von Bunia und das sofortige Verbot, in der Stadt Waffen zu tragen; die Einrichtung einer Sperrzone rund um Bunia, deren Betreten für bewaffnete Gruppen verboten ist; die Ausweitung des Einsatzes auf die anderen städtischen Zentren der Region. „Mit einem Bataillon kann man nicht hineingehen“, meint Sack. „Man muss eine Streitkraft aufbauen, die sich einen Monat lang selbst versorgen kann. Es müsste eine Mischung aus afrikanischen und europäischen Truppen sein, unter Führung eines europäischen Nato-Staates wie Frankreich oder Großbritannien. Die hätten eine größere Vertrauensbasis in der Bevölkerung als afrikanische Truppen, mit denen die Kongolesen schon genug schlechte Erfahrungen gemacht haben.“

Frankreich hat bereits gewarnt, ein Einsatz in Bunia wäre logistisch äußerst kompliziert und würde hunderte von Flugbewegungen benötigen. Nach einem Bericht des Handelsblatts hat die UNO Deutschland zur Bereitstellung unter anderem von Sanitätern und Transportkapazitäten gebeten. Das Bundesverteidigungsministerium habe abgelehnt. Gegenüber der taz dementierte ein Ministeriumssprecher gestern den Bericht.

Die Lage in Bunia blieb unterdessen trotz eines am Samstag in Kraft getretenen Waffenstillstands gespannt. Die UNO berichtete, zwei ihrer Militärbeobachter seien in der Goldgräberstadt Mongbwalu von unbekannten Tätern „bestialisch“ umgebracht worden. Die Kontrolle der Goldminen nahe Bunia sowie der vermuteten Ölvorkommen an der Grenze zu Uganda gilt als ein Grund dafür, warum um die Region so heftig gekämpft wird.

DOMINIC JOHNSON