Froh, dass der Gerd zurück getreten ist

Sozialdemokraten im Ruhrgebiet freuen sich über den tränenreichen Führungswechsel beim SPD-Bundesparteitag: „Wir krempeln jetzt die Ärmel auf.“ Hoffnung für Kommunalwahl. Pläne für Linkspartei laufen auch im Revier weiter

RUHR taz ■ Die Sozialdemokratie im Ruhrgebiet wähnt sich nach dem Führungswechsel an der Parteispitze im Aufwärtstrend. SPD-Funktionsträger, Spitzenkandidaten und Basisvertreter werten den Bundesparteitag vom Sonntag als Aufbruchzeichen. Besonders der neue Chef-Genosse bekommt viel Lob aus seinem Landesverband. „Franz Müntefering verkörpert die Verbindung von Gerechtigkeit und Erneuerung“, sagt NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek. Die Partei „wird jetzt die Ärmel aufkrempeln und damit wird das Selbstmitleid der Vergangenheit angehören“, glaubt der Parteimanager aus Oberhausen.

Auch die SPD-Kandidaten für die Kommunalwahl am 26. September schöpfen wieder Hoffnung. Gudrun Hock, sozialdemokratische Oberbürgermeisterkandidatin in der Landeshauptstadt, sieht die Partei im Aufwind. „Das war ja ein grandioses Ergebnis für Franz Müntefering“, freut sich Hock über das gute Wahlresultat (95,1 Prozent) des neuen Vorsitzenden. „Franz Müntefering steht für Entschlossenheit, Siegeswillen und Bodenhaftung“, sagt die Spitzenkandidatin. Der zurückgetretene SPD-Chef, Bundeskanzler Gerhard Schröder, bekommt ein Extra-Lob von Frau Hock für seinen würdevollen, tränenreichen Abgang als Parteivorsitzender: „Das war sicher sehr schwer für ihn.“ Mit dem neuen Spitzenduo gehe die Partei jetzt gestärkt in den Wahlkampf. Hock will im Herbst den Düsseldorfer CDU-Rathauschef Joachim Erwin ablösen.

Die Erleichterung über den personellen Neustart ist in der SPD flügelübergreifend. Der dem konservativen „Seeheimer Kreis“ angehörende Parteirechte Karl Hermann Haack freut sich ebenso wie der Duisburger Jungsozialist Sören Link. „Ein wichtiges Aufbruchsignal“ und „Rückenwind für die SPD“ verbindet der lippische Bundestagsabgeordnete Haack mit dem Führungswechsel. Duisburgs Juso-Chef Sören Link hofft jetzt auf „mehr Beteiligungsmöglichkeiten für die Parteibasis“. Die Kompetenz der SPD-Ortsvereine müsse bei neuen inhaltlichen Vorhaben wie etwa der Bürgerversicherung mehr genutzt werden. „Froh“ ist Sören Link darüber, dass Schröder sein Amt an Müntefering abgegeben hat.

Die Stimmungsaufhellung an der Basis ist nicht gespielt. Nach fast anderthalb Jahren im Umfragetief wächst bei den Genossen der Glaube, das Ruder mit dem Duo Müntefering-Schröder herum reißen zu können. Wie ihre Führungsfiguren sprechen die Ruhrgebiets-SPDler auffällig oft von „Mut“ und „Zuversicht“. Die neue Doppelspitze soll ab sofort regelmäßig im Kommunalwahlland NRW auftreten.

Die Planungen für eine linke Protestpartei laufen trotz des Parteitags auch im Ruhrgebiet weiter. „Müntefering hat deutlich gemacht, dass er den von Schröder eingeschlagenen Kurs der Agenda 2010 fortsetzen will“, sagt der Duisburger Marc Mulia von „Wahlalternative“. Die SPD habe damit einen Personalwechsel vollzogen, aber keinen Politikwechsel. MARTIN TEIGELER