piwik no script img

Archiv-Artikel

Die Krise ist chronisch

Die Opposition fordert Neuwahlen. Doch die wird es so schnell nicht geben. Und ändern würden sie auch nichts

Eine große Koalition, die in der Presse erstmals ernsthaft erörtert wird, ist in Athen undenkbar

BERLIN taz ■ „Vakante Position – Regierung gesucht“ titelte am Mittwoch die griechische Zeitung Kathimerini. Tatsächlich steht die konservative Regierung von Kostas Karamanlis mit dem Rücken zur Wand. Wenn am Sonntag gewählt würde, fiele seine Partei, die Nea Dimokratia (ND), deutlich hinter die sozialdemokratische Opposition, die Pasok, zurück.

Doch Wahlen wird es so schnell nicht geben. Zwar kann das Parlament sich unter Berufung auf eine „nationale Notlage“ auflösen, aber einen solchen Beschluss wird die ND-Fraktion nicht fassen. Schließlich würden dadurch mehr als 60 ihrer 151 Abgeordneten ihren Sitz verlieren.

Ein Rücktritt von Karamanlis ist derzeit nur nach einem Misstrauensvotum der eigenen Partei denkbar. Aber so weit ist es noch nicht, obwohl einflussreiche Stimmen im Kabinett inzwischen den Kurs und die Autorität des Regierungschefs anzweifeln. Erwartet wird nur eine radikale Umbildung des Kabinetts, um ein geliftetes ND-Gesicht zu präsentieren.

Doch nächstes Jahr wird die ökonomische Krise voll zuschlagen. Der wichtigste Sektor der griechische Realwirtschaft, die Handelsschifffahrt, ist angesichts sinkender Frachtraten bereits angeschlagen. Der zweitwichtigste Sektor, der Tourismus, wird die Rezession in ganz Europa zu spüren bekommen. Damit wird das Staatsdefizit weiter steigen, was strukturelle Probleme wie die Sanierung der Rentenkassen und die Reform des Bildungswesens unlösbar macht.

Das weiß auch die Opposition. Die Forderung der Pasok nach Neuwahlen ist darum nicht ernst gemeint, zumal sie nach einem Sieg Koalitionspartner brauchen würde. Doch die orthodoxen Kommunisten der KKE lehnen die Mitwirkung an einer „bürgerlichen“ Regierung ab, und auch das Linksbündnis Syriza wird seine neue Popularität nicht durch Beteiligung an einer Regierung riskieren, die nur „Schweiß und Tränen“ zu bieten hat.

Für die Aufgabe, die aktuelle Staatskrise unter Bedingungen der ökonomischen Krise zu bewältigen, gibt es im heutigen griechischen Parteiensystem keine Lösung. Denn eine große Koalition, die in der Presse erstmals ernsthaft erörtert wird, ist in Athen weiterhin undenkbar.

NIELS KADRITZKE