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Archiv-Artikel

Freakshow im Probelauf

Drei Versuche, der Komik beizukommen: ein Projekt der Hamburger Uni-Regieklassen am Thalia in der Gaußstraße

Drei Stücke, drei Jungregisseure, drei Ergebnisse, die unterschiedlicher kaum sein könnten: „Komik. Gegenwartsdramatik“, so knapp, so schwammig ist der Abend am Thalia in der Gaußstraße überschrieben, an dem Studenten des Uni-Regiestudiengangs die Kraft ihrer Inszenierungen erproben sollten.

Regina Gyr hat es sich mit George F. Walkers Stück Genie und Verbrechen wohl am schwersten gemacht: der kruden Mischung aus versteckter Gesellschaftskritik und Trash-Komödie kann man nur beikommen, wenn man sie völlig überspitzt umsetzt. Gyr hat dagegen den klassischen Weg gewählt und das Drama mit den Mitteln des Boulevards in einem Vorstadt-Motel inszeniert. Running Gags wie der ewig wiederkehrende Fahrstuhl sind solide Unterhaltung, helfen aber nicht über die Schwächen der Textvorlage hinweg.

Im völligen Kontrast dazu veranstaltet Silke Kosbü mit Elfriede Jelineks Raststätte oder Sie machen es alle eine richtige Freak-Show auf der Bühne. Sie findet für die gnadenlose Wortpornografie der österreichischen Dichterin mindestens genauso gnadenlose Bilder. Der Schauplatz, die Raststätte Zwillingsgipfel, ist hier eine S/M-Absteige für Liebes-Suchende im Kontaktanzeigenland. Maskierte Sklaven im Mülltüten-Look fahren auf Rollerblades um die Bühne, zu Wurlitzer-Klängen dreht sich müde eine Stripperin im Kreis. Und beim Partnertausch wird kräftig an den Käfiggittern der drehbaren Bühne gewackelt, Natursekt und Windel-Sex inklusive. Von den abgründigen Zwischentönen der Textvorlage bleibt da nicht mehr viel übrig. Dafür entschädigen Kosbüs überbordende Spiellust und ihr Mut zur Extravaganz.

Ganz auf Reduktion hat hingegen Roger Vontobel gesetzt. Mit seiner leichthändigen, ironisch-distanzierten Inszenierung von Herr Kolpert schafft er an diesem Abend die goldene Mitte zwischen Angepasstheit und Exaltiertheit. Eine weiße Leinwand, vier Mikrofone, das ist alles. Den Rest erledigen die vier fantastischen Schauspieler: Sophie Hottinger und Dominik Maringer sind als Gastgeber-Pärchen eine gruselige Mischung aus Kurt Felix und Paola und den Natural Born Killers. Sie wollen den Abend mit ihren Arbeitskollegen (Julia Nachtmann und Michael Ransburg) aufpeppen, indem sie einen Mord vortäuschen. Vontobel inszeniert das Spiel um das Spiel meisterhaft, bis zum Schlussapplaus bleibt offen, ob es ein Verbrechen gegeben hat oder alles einfach nur ein Spaß war. Carolin Ströbele