: „Bürgerliche“ Opposition auf Haiti?
betr.: „In Haiti will plötzlich niemand die Macht“, taz vom 18. 3. 04
Mit Erstaunen lese ich heute den interessantesten Hintergrundbericht zu Haiti. Einer der Initiatoren der „bürgerlichen“ Opposition ist einer der reichsten Unternehmer des Landes, zahlt seinen Arbeitern den unglaublichen Lohn von weniger als 65 Cent pro Tag und produziert für die amerikanische Wirtschaft. Der „ernannte“ Premier war Rechtsanwalt für wichtige Unternehmen Haitis etc. Warum erfahren wir das erst jetzt? Das Engagement dieses Unternehmers begann schon vor zwei Jahren und ist den Journalisten auch bekannt! Warum werden diese Fakten erst genannt, wenn die Einsetzung der Regierung offensichtlich völlig an demokratischen Regeln vorbeigeht?
Verstehe ich außerdem richtig, dass das Wort „gemäßigte Ex-Duvalieristen“ sagen soll: die gemäßigten Unterstützer der vorigen Militärdiktatur, die sich ja durch besondere Brutalität auszeichnete. Was bedeutet dabei gemäßigt? Schaute man nur mit einem Auge auf die Brutalität statt mit zweien? Dafür genießt man Sympathie im Ausland? Ist der Maßstab zur Beurteilung einer Regierung die Sympathie des Auslands oder Maßnahmen, die diese Regierung für die eigene Bevölkerung ergreift?
Ich lese gleichzeitig mit Erstaunen die Berichterstattung über Venezuela. Das habe ich bisher noch (!) nicht gelesen: Die Opposition wird von dem Unternehmerverband, namentlich von dem reichsten Unternehmer Venezuelas, angeführt, der auch offensichtlich in den Putschversuch des Jahres 2002 verstrickt ist. Wird dies der taz auch erst dann auffallen, wenn die USA in Venezuela eine den USA genehme Regierung eingesetzt haben? Was bleibt, ist nur, dass die taz informativer als der Spiegel ist. Reicht Ihnen das?
HENNING LILGE, Bonn