Zypries kneift vor Hanau-Plausch

Für heute geplantes Gespräch mit atomkritischen Abgeordneten findet nicht statt. Die sehen das als Signal für den Kurswechsel der Regierung beim Hanau-Verkauf. Rechtliche Gründe, wonach der Export nicht zu verhindern wäre, zerbröseln weiter

VON CHRISTIAN RATH

Manchmal ist auch eine Absage ein gutes Zeichen. Das für heute geplante Gespräch zwischen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und atomkritischen Abgeordneten der Regierungskoalition fällt aus. Die Abgeordneten wollten mit Zypries eigentlich die Rechtslage erörtern, die dem von Siemens geplanten Export der Hanauer Brennelementefabrik nach China zugrunde liegt. „Die Regierung ist offensichtlich dabei, sich neu zu orientieren“, wertete das der Grünen-Abgeordnete Winfried Nachwei.

Bereits im Januar hatten Abgeordnete von SPD und Grünen, darunter die beiden SPD-Fraktions-Vize Gernot Erler und Michael Müller, um ein klärendes Gespräch mit der Regierung gebeten. Justizministerin Brigitte Zypries war dann vorgeschickt worden, weil seit dem 9. Dezember ein Kurzgutachten ihres Hauses auf dem Tisch lag, wonach eine Ablehnung des Siemens-Antrags „offensichtlich rechtswidrig“ sei.

Dies war aber wohl eher ein Gefälligkeitsgutachten für Kanzler Gerhard Schröder, mit dem Zypries seit ihrer Zeit in der niedersächsischen Staatskanzlei politisch eng verbunden ist. Fachlich stützte sich das Gutachten vor allem auf Wertungen aus dem Außenwirtschaftsgesetz, das aber im Fall der Hanauer Anlage gar nicht anwendbar ist. Tatsächlich gilt, wie etwa der Münsteraner Außenwirtschaftsexperte Hans-Michael Wolffgang der taz bestätigte (taz vom 16.3.), die Dual-Use-Verordnung der EU, die der Regierung für die Exportentscheidung relativ weites politisches Ermessen einräumt.

„Ich glaube, dass inzwischen auch in der Bundesregierung die Sicht vorherrscht, dass der Hanau-Antrag politisch entschieden werden muss“, sagte gestern SPD-Fraktions-Vize Gernot Erler. Federführend ist nach seiner Auffassung das Kanzleramt. Gerüchte, wonach sich die Koalition inzwischen intern auf ein Nein zum Hanau-Export geeinigt habe, wollte Erler nicht bestätigen.

Allerdings sähen er und andere Kritiker des Exports die Sache inzwischen „sehr entspannt“. Die Absage des Gesprächs mit Zypries erfolgte dennoch überraschend. Angeblich habe sie einen „wichtigen anderen Termin“, so das Justizministerium gestern zur taz.

Siemens wollte zu den jüngsten Wendungen keine Stellungnahme abgeben. Der Konzern, dessen Voranfrage beim Eschborner Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) bereits seit März 2003 „geprüft“ wird, hätte längst Untätigkeitsklage einreichen können, um eine Entscheidung zu erzwingen. Sollte sich die Regierung am Ende gegen den Export entscheiden, könnte Siemens zwar auch klagen, hätte dann aber wenig Chancen.

Ein der taz vorliegendes Urteil des zuständigen Verwaltungsgerichts Frankfurt hat am 8. Mai 2003 entschieden, dass das Bafa bei Entscheidungen nach der Dual-Use-Verordnung eine „Einschätzungsprärogative“ hat. Das heißt, die Entscheidung von Behörde und Regierung wird von den Richtern nur darauf hin überprüft, ob die Regierung ihre Entscheidung auf nachvollziehbare außen- und sicherheitspolitische Bedenken gestützt hat. Wenn es um die mögliche Verwendung eines Exportgutes für die Atomwaffenherstellung gehe, genügt nach Ansicht der Richter die „objektive technische Eigenschaft“, auf anderweitige „Endverbleibserklärungen“ müsse die Regierung nicht vertrauen.