: Alte Forderung mit neuem Verfallsdatum
Wieczorek-Zeul fordert 0,7 Prozent des Sozialprodukts für Entwicklungshilfe – bis 2010. Deutschland Schlusslicht in EU
BERLIN taz ■ Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hat gefordert, die deutsche Entwicklungshilfe bis spätestens 2010 auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts anzuheben. Zu dieser Maßnahme, die seit etwa 30 Jahren von den Industrieländern diskutiert wird, hätten sich inzwischen 9 der 15 EU-Staaten mit klarem Zeitpunkt verpflichtet. „Wenn es nach mir geht, machen wir es wie die neue spanische Regierung“, sagte Wieczorek-Zeul gestern „und erreichen bis 2010 die 0,7 Prozent.“
Weil es aber nicht nach ihr geht, hatte sich die Ministerin gestern Unterstützung von der UNO geholt. Eveline Herfkens, ehemalige niederländische Entwicklungsministerin und jetzt UN-Koordinatorin für die so genannten Millenniums-Ziele, erinnerte die Deutschen daran, dass sie bei der Entwicklungshilfe das EU-Schlusslicht bilden – obwohl sie „als führendes Land Europas so wichtig sind“. Die UN könne keine Staaten zwingen, ihren Verpflichtungen nachzukommen – „das kann nur die Bevölkerung der Länder“.
Die Zwischenbilanz bei der Erreichung der Millenniums-Ziele, die unter anderem vorsehen, bis 2015 die Zahl der Menschen in absoluter Armut zu halbieren, eine Grundschulversorgung für alle Kinder zu schaffen und die Kindersterblichkeit zu reduzieren, ist durchwachsen. So habe es etwa in Indien und China große Fortschritte gegeben, sagte Wieczorek-Zeul. Im südlichen Afrika dagegen sei man von den Zielen weit entfernt. Insgesamt bräuchte es pro Jahr etwa weitere 50 Milliarden Dollar. Heute liegen die gesamten Zahlungen der Industriestaaten an Entwicklungshilfe etwa bei 57 Milliarden Dollar und sollen bis 2006 auf 70 Milliarden steigen. Zum Vergleich: Die reichen Ländern zahlen jährlich allein für Agrarsubventionen 300 Milliarden Dollar.
Die Entwicklungsländer wiederum müssten vor allem die Korruption bekämpfen, sagte Herfkens. „Fünf Prozent des weltweiten Sozialprodukts werden durch Korruption vergeudet, es gibt also eine Integritäts-Dividende.“ Öl- und Bergbaukonzerne sollten sich an der Initiative „Publish what you pay“ beteiligen – wenn die Bürger der Empfängerstaaten wüssten, wie viel Geld an die Regierung fließe, könnten sie Rechenschaft verlangen. BPO