Ein total irres Abrissangebot

Bundestagspräsident Thierse fordert von Stolpe den sofortigen Abriss des Palastes auf der Grundlage eines Angebots des Schlossvereinschefs von Boddien. Das Angebot ist purer Unsinn, meinen Experten

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Wolfgang Thierse (SPD) hat sich am Donnerstag zum Ehrenvorsitzenden des Fördervereins Berliner Schloss e. V. empfohlen. Der Bundestagspräsident plädierte auf einer Veranstaltung des Vereins mit dessen Geschäftsführer Wilhem von Boddien nicht nur dafür, die anstehende Rekonstruktion des Stadtschlosses „jetzt ernsthaft in Angriff“ zu nehmen“. Thierse kritisierte außerdem Bundesbauminister Manfred Stolpe (SPD) und den Berliner Senat, die Kosten für den Abriss des Palastes in astronomische Höhen zu treiben. Damit würde der vom Bundestag 2003 beschlossene Wiederaufbau auf die lange Bank geschoben. Thierse: „Ich bin sicher, dass der Minister in Respekt vor dem Parlament tätig werden wird und den Abriss des Palastes der Republik vorantreibt.“

Angesicht einer schlechten Haushaltslage dürfe das augenblickliche „Moratorium nicht Stillstand bedeuten“, sagte Thierse. Die vom Senat geplante Rasenfläche anstelle des Palastes könne nicht dazu führen, „dass über das Projekt Gras wächst“. Die möglichen Abrisskosten für den Palast aus dem Hause des Bauministers in einer Dimension zwischen 20 und 40 Millionen Euro seien fragwürdig, sagte der Präsident. Stattdessen sollten sich die Ministerien mit einem von Boddien vorgelegten Angebot einer Hamburger Abrissfirma auseinander setzen, die den Palast der Republik für nur 7 Millionen Euro abräumen will.

Derzeit prüft die Berliner Bauverwaltung die Abrisskosten für den Palast. Internationale Gutachter sollen ein Konzept und eine Kalkulation erstellen. Schwierig und teuer wird der Abriss darum, weil nicht allein 36.000 Tonnen Stahl und Beton entfernt werden müssen. Zugleich bedroht ein Abriss auf dem schwammigen Untergrund die benachbarten Gebäude – den Dom, den Staatsrat oder die Museen – in Mitleidenschaft zu ziehen. Diese zu sichern macht ein Großteil der Kosten aus.

Dass Thierse sich zu solchen Aussagen hat hinreißen lassen, kann nur in Unkenntnis des Boddien-Angebots – das der taz vorliegt – geschehen sein. Der Schlossvereinschef hatte dies gestern präsentiert und gleichzeitig mit falschen Karten gespielt. Nach Auskunft von Boddien sei es der Firma – „nach äußerlicher Inaugenscheinnahme durch unseren Herrn Gräser“ – möglich, den Palast für 5,9 Millionen Euro plus Umsatzsteuer abzureißen. Dazu würden das Gerippe entsorgt und die Wanne im Boden erhalten. Damit nichts nebenan umkippt, soll die Wanne mit Sand gefüllt werden. „Physikalisch ganz einfach“, so Wilhelm von Boddien.

Er habe das Angebot im Januar an Stolpe und Bausenator Strieder gesandt, „bis jetzt aber keine Reaktionen erhalten“, sagte der seit zehn Jahren um den Wiederaufbau kämpfende Schlossfan. Dies sei Beweis genug, dass die Ministerien nicht an einer schnellen und kostengünstigen Abrissvariante interessiert seien. Die Sprecherin der Bauverwaltung, Petra Roland, bestätigte den Eingang des Angebots, ließ aber durchblicken, dass dessen Angaben nicht korrekt wären.

Das Bundesbauministerium dagegen zeigte sich verärgert über Thierse und empört über von Boddien. Es könne keine Rede davon sein, so Sprecher Felix Stenschke, dass auf Boddiens Schreiben keine Reaktion aus dem Hause Stolpe erfolgt sei. Staatssekretär Joachim Grossmann habe von Boddien im Februar auf das Angebot geantwortet. Gleichzeitig sagte der Sprecher, dass das 7-Millionen-Euro-Angebot der Firma Ehlert & Söhne „total unseriös“ sei. Außer den puren Abrisskosten seien alle anderen Positionen – etwa die Sicherung des Terrains oder die Kosten der Ingenieure und Techniker – nicht berücksichtigt. Boddien betreibe mit dem Drei-Seiten-Papier Augenwischerei.