: Mobile Energieversorgung
Ist die Brennstoffzelle die Energiequelle der Zukunft? Das Prinzip klingt jedenfalls sympathisch: Wasserstoff und Sauerstoff werden abgasfrei umgewandelt in Strom, Wärme und Wasserdampf
VON CLAUDIA BORCHARD-TUCH
Wer kennt sie nicht, diese unangenehme Situation – stromloses Handy, Wichtiges zu sagen, keine Steckdose in Sicht? „Mit Brennstoffzelle wäre das nicht so leicht passiert“, meint Ulf Groos vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg. „Denn Brennstoffzellen liefern ihre Energie unabhängig vom Netz – und dies effizient und umweltfreundlich.“
Bereits im 19. Jahrhundert entdeckte der Engländer Sir William Robert Grove das Prinzip: Reagieren Wasserstoff und Sauerstoff kontrolliert und langsam miteinander, entstehen Strom, Wärme – und Wasserdampf. Ohne Gestank und Abgase. Die Brennstoffzelle wandelt chemisch gespeicherte Energie direkt in Strom um. Mit bis zu 60 Prozent Energieausbeute ist sie wesentlich besser als bisherige Kraftwerke, die lediglich auf 40 Prozent kommen. Da keine beweglichen Teile in ihr surren, ist sie leise und verschleißarm. Dabei kann sie nach Belieben erweitert und für nahezu jeden Bedarf maßgeschneidert werden – von der winzigen Mikrobrennstoffzelle bis zum Großkraftwerk.
Verständlich, dass dieses Wunderinstrument zurzeit auf breiter Flur erprobt wird. Mehrere Feldtests setzen Brennstoffzellen als Blockheizkraftwerke ein. Das Hot Module ist auf dem besten Weg, im Bereich von 300 Kilowatt bis 3 Megawatt Marktführer zu werden. Die Serienproduktion von viel kleineren Systemen für die häusliche Energieversorgung wird für das Jahr 2007 erwartet.
Die unbegrenzte Mobilität der Brennstoffzellen lässt sie für Fahrzeuge aller Art geeignet erscheinen – vom Traktor bis zum Motorroller, vom Rasenmäher bis zum Fahrrad, vom Ausflugsschiff bis zum U-Boot. Erste Brennstoffzellensysteme für Wohnwagen und Segelboote sind schon auf dem Markt.
Das Fraunhofer-Institut entwickelte sogar eine mobile Steckdose, die im nächsten Jahr zu kaufen sein wird. Diese Mobile Power Box macht es möglich, tagelang in einem mobilen Büro durchzuarbeiten oder die Freizeit beim Camping oder Segeln zu verschönern.
Marktchancen sehen Experten auch bei mobilen Geräten, die bislang mit Batterien oder Akkus betrieben wurden. Ob Laptop, Camcorder oder Handy – alle diese neuen Mobilgeräte bringen nur dann etwas, wenn Strom fließt. Nach einem Prototyp für einen Laptop haben die Forscher des Fraunhofer-Instituts ein Brennstoffzellen-System für eine Profikamera entwickelt. Das System gibt der Filmkamera einen ganzen Drehtag – acht Stunden lang – Strom. „Energievorrat und Leistung des Systems sind bei gleicher Größe fast so gut wie die eines vergleichbaren Akkus“, erklärt Groos.
Auf den Markt der Handys und Kleingeräte zielen die Mikrobrennstoffzellen. Weltweit wird an ihrer Entwicklung gearbeitet. Auf die Größe eines Quadratzentimeters haben die Forscher die Brennstoffzellen bereits geschrumpft. „Mikrobrennstoffzellen benötigen für ihre Energiespeicherung nur ein Zehntel des Platzes herkömmlicher Batterien“, erklärt Robert Hahn, Gruppenleiter am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration in Berlin.
Trotz all dieser Begeisterung für die neue Technologie äußern sich auch kritische Stimmen. Denn einen Spitzenplatz in puncto Energiesparen nimmt sie zurzeit noch nicht ein. So braucht eine Brennstoffzelle unbedingt Wasserstoff und Sauerstoff. Während sich der Sauerstoff ganz einfach aus der Luft holen lässt, bleibt das Problem mit dem Wasserstoff. „Die Herstellung von Wasserstoff basiert noch bis zu 90 Prozent auf fossilen Rohstoffen wie Erdgas“, erklärt Ulrich Müller vom Chemiekonzern BASF.
Zwar können ebenso Sonnen-, Wind- oder Biomasseenergie eingesetzt werden. Letztendlich ist die Brennstoffzelle aber so viel oder so wenig umweltfreundlich wie die Art und Weise, in der der dafür nötige Wasserstoff hergestellt wird. „Es bringt dem Klima nichts, wenn die Treibhausgase statt aus dem Autoauspuff künftig verstärkt aus Kraftwerksschloten quellen“, erklärt Christoph Huß, der BMW-Beauftragte für Verkehr und Umwelt. Daher kommt er zu dem Schluss: „Wir setzen auf Wasserstoff aus regenerativen Energien, weil nur so kein CO2 entsteht.“
Nach Vorstellung von Huß sollen einmal Solarkraftwerke in der Sahara und riesige Staudämme auf Island die Energie für das Wasserstoffzeitalter liefern. Bei jeder Umwandlung der Energie geht jedoch ein Teil von ihr verloren. So stellt Reinhard Kolke vom Umweltbundesamt fest: „Solarstrom direkt zu verwenden ist viermal effektiver, als die Energie in Wasserstoff zu speichern.“
Eine andere Schwierigkeit ist der Transport von Wasserstoff an den Ort, an dem er gebraucht wird, und seine Speicherung. Aufbewahrt werden kann Wasserstoff extrem gekühlt und dadurch verflüssigt in wärmeisolierten Druckbehältern. Dann kann man ihn kontrolliert in die Brennstoffzelle strömen lassen. Das Tanken des –253 Grad Celsius kalten flüssigen Wasserstoffs stellt allerdings noch eine große technische Herausforderung dar. Und der Transport von größeren Mengen des leicht brennbaren Wasserstoffs in Druckbehältern ist nicht ungefährlich, wobei eine Wasserstoffinfrastruktur zurzeit noch nicht absehbar ist.
Ein Ausweg ist der Reformer, durch den dieser gefährliche Wasserstofftransport vermieden werden kann. In diesem Gerät entsteht der Wasserstoff vor Ort. Entsprechend ihres Typs können Reformer die verschiedensten energiereichen Verbindungen verdauen, etwa Alkohole, Benzin oder auch Erdgas. Eines haben aber alle Reformer gemeinsam: Sie produzieren den Wasserstoff nur dann, wenn er in der Brennstoffzelle gebraucht wird.
Aber auch der Reformer hat seine Tücken. Er braucht noch relativ viel Platz, bisher sogar mehr als die Brennstoffzelle selbst. Zudem muss zwischen Reformer und Zellen noch ein reinigendes Gerät geschaltet werden, denn bei der Wasserstofferzeugung entsteht als Nebenprodukt auch Kohlenmonoxid, und dies wäre für die Brennstoffzelle Gift.
Eine andere Technik verzichtet gänzlich auf den Reformer. Die Zelle mit dem Namen Direkt-Methanol-Brennstoffzelle benötigt keinen Wasserstoff, sondern Methanol – ein Alkohol. Dann erbrütet sie sich ihren Wasserstoff sozusagen selbst – an ihrem Pluspol wird das wasserstoffreiche Methanol-Molekül unter Mithilfe eines Katalysators gespalten.
Gegenüber heutigen Wasserstoffspeichern hat Methanol eine doppelt bis dreifache Energiedichte, d. h., dass Geräte mit Methanol dreimal so lange betrieben werden können. Zudem fließt Methanol fast wie Benzin aus der Zapfpistole, während für reinen Wasserstoff ein Netz technisch aufwändiger Tankstellen neu geschaffen werden müsste.
Aber auch das Methanol hat seine Nachteile: So entstehen in ihm schädliche Abgase – wie beispielsweise das Treibhausgas Kohlendioxid. Berücksicht man in der Bilanz die Herstellung des Methanols, „liegt der CO2-Ausstoß um 16 Prozent höher als bei einem Turbodiesel vergleichbarer Leistung“, so Greenpeace-Experte Günter Hubmann.
Die Zukunft des Multi-Kraftwerks Brennstoffzelle liegt noch im Ungewissen. Wie lange es dauern wird, bis sich die neue Technologie durchgesetzt hat – darüber sind die Experten geteilter Meinung. Wie die Gesellschaft Deutscher Chemiker feststellte, hängt dies natürlich auch von der Beliebtheit der bekannten Produkte ab, die auf dem Markt bereits ihren Platz gefunden haben. Während der Berufsverband der Brennstoffzelle bei der häuslichen Energieversorgung schon ab 2007 eine größere Bedeutung beimisst, rechnet sie mit Brennstoffzellenfahrzeugen in höherem Umfang erst nach 2010.