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Archiv-Artikel

Semester der Premieren

Gebühren, Fakultäten, neues Auswahlverfahren, Bachelor und Master – was sich an den Hamburger Hochschulen in den kommenden Monaten alles ändert und was Studierende über die Reformen denken

von PATRICK TIEDE und EVA WEIKERT

Das Sommersemester steht im Zeichen des Umbruchs: Erstmals kassieren Hamburgs staatliche Hochschulen Gebühren und zum ersten Mal agieren alle unter den umstrittenen Hochschulräten. Zugleich werkeln die Lehrstätten an den neuen Bachelor-Master-Studiengängen und der Fakultätenbildung. Und von Herbst an dürfen sich die Hochschulen mehr Studierende selbst aussuchen, dafür zusätzliche Auswahlkriterien anlegen und einen Obulus verlangen.

Studiengebühren

Erstmals werden in diesem Semester Studiengebühren fällig. Mit 500 Euro zur Kasse gebeten werden so genannte Langzeitstudierende und Auswärtige. Eine Übergangsregelung sieht vor, dass ab April zahlt, wer ein Jahr zuvor seine Regelstudienzeit um vier Semester überschritten hatte. Wer im Sommersemester 2003 noch nicht so lange dabei war, muss erst ab April 2005 an seine Hochschule überweisen.

Die beiden größten Hamburger Hochschulen, die Uni und die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), werden den Betroffenen die Bescheide erst in den nächsten Wochen zustellen. Zuvor verschicken sie Erlassanträge, in denen Gründe zur Befreiung geltend gemacht werden können. Die unter www.uni-hamburg.de einsehbare Gebührensatzung der Uni zeigt für Fachwechsler wenig Gnade: Nur wenn ein Wechsel bis einschließlich des 3. Fachsemesters erfolgt, rechnet die Uni lediglich einen Studiengang an.

Damit nicht genug: Im Sommer kippt das Bundesverfassungsgericht das Verbot von allgemeinen Studiengebühren im Bund, wie Experten voraussagen. Hamburgs Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) ist ein klarer Befürworter des Bezahlstudiums. Der neue CDU-Senat hat sich die Prüfung der Gebührenfrage ins Regierungsprogramm geschrieben. Im Gespräch sind 500 Euro pro Semester ab Herbst 2005.

Die Fakultäten

Die Dohnanyi-Kommission hatte es empfohlen: die Bündelung der Fachbereiche zu Fakultäten. Die Hochschulen arbeiten derzeit am inneren Aufbau dieser von der Wissenschaftsbehörde auch „schools“ genannten Sektionen. An der Uni treten die sechs Fakultäten, zu denen die 18 Fachbereiche gebündelt wurden, am 1. Oktober in Kraft. Das sind: Bildungswissenschaften, Medizin, Naturwissenschaften, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Jura und Geistes-, Kultur- und Sprachwissenschaften.

Die Uni-Leitung verspricht sich von dem Umbau mehr Autonomie innerhalb der Hochschule. So bekommen die Fakultäten etwa einen eigenen Etat und schreiben selbst Stellen aus. Zugleich erwartet Uni-Präsident Jürgen Lüthje von der Bündelung mehr fächerübergreifende Lehre und Forschung. Studierende sehen indes Gefahr für kleine Fächer, die im Zuge der Fakultätenbildung gestrichen werden könnten. Zugleich drohe die Uni in miteinander konkurrierende „Sub-Hochschulen“ zu zerfallen.

Bis zum Herbst müssen sich die Fakultäten über ihren inneren Aufbau verständigen. Nach den Senats-Leitlinien zur Hochschulpolitik sollen die heutigen Institute aufgelöst werden und sich die neuen Einheiten in Studiendekanate und forschende Bereiche spalten. Für die Fakultätsspitze sind an der Uni zwei Modelle im Gespräch: Ein Fakultätsrat aus Vertretern von Studierenden, Lehrenden und technischem Personal. Oder ein Vorstand aus den bisherigen Dekanen der Fachbereiche.

Bachelor-Master-System

Senator Dräger hat die Hochschulen dazu verpflichtet, die derzeitigen Diplom- und Magister-Studiengänge bis 2009 durch das Bachelor-Master-System flächendeckend zu ersetzen. Für Staatsexamens-Studiengänge wartet er noch eine Richtlinie der Kultusministerkonferenz ab.

Das neue System teilt das Studium in zwei Teile. Die Uni in Rotherbaum schreibt zur Zeit die Curricula ihrer 184 Studiengänge um. Zum Sommersemester 2005 will sie mehr als 50 Prozent ihrer Studiengänge umstellen. Das bisherige Grundstudium wird wissenschaftlich abgespeckt. Dafür wird das neue Bachelor-Studium praxisbezogener und legt auch Wert auf allgemeine Fähigkeiten wie Schreibkompetenz. Nach drei Jahren verspricht es einen berufsqualifizierenden Abschluss.

An der HAW sind bisher 21 der 47 Studiengänge umgestellt, ein Teil davon ist zudem zertifiziert. Streit gibt es mit Dräger noch über die Zahl der Masterstudiengänge, die die HAW haben darf. Anders als die Behörde wollen die Hochschulen keine Zwangsquote beim Übergang vom Bachelor zum Master. (Siehe S. 15)

Der Hochschulrat

Im Sommersemester werden erstmals alle staatlichen Hamburger Hochschulen unter den komplettierten Hochschulräten agieren. Wegen seiner Machtfülle ist das vom Rechts-Senat installierte Gremium bei Studierenden wie der Bürgerschafts-Opposition hoch umstritten.

Der Rat ersetzt nach dem „Hochschulmodernierungsgesetz“ gemeinsam mit dem Hochschul-Senat den bisherigen Großen Senat. Seine Aufgabe ist die strategische Steuerung der Hochschule. Behörde und Hochschule berufen je vier Mitglieder, das neunte wählt der Rat selbst. Strukturelle Umbauten, so die Idee, sollen künftig nicht mehr von den akademischen Gremien behindert werden.

Nach Ansicht von Studentenvertretern ist der Rat nicht demokratisch legitimiert, weil seine Mitglieder nicht öffentlich gewählt werden. Zugleich gibt es harsche Kritik an der Zusammensetzung des Gremiums. Wie Studierende monieren, ist der Hochschulrat der Uni wirtschaftlich dominiert und repräsentiert nicht alle gesellschaftlichen Gruppen. In der Tat stammen drei der neun Hochschulratsmitglieder der Uni aus der Wirtschaft, eines aus den Medien und fünf aus der Wissenschaft.

Neben der Verabschiedung des Wirtschaftsplans ist die Wahl des Hochschul-Präsidenten eine wichtige Aufgabe des Rats. Als nächstes sucht die Uni einen neuen Chef. Deren Hochschulrat muss jetzt entscheiden, ob er die Stelle ausschreibt oder Amtsinhaber Lüthje zur Wiederwahl vorschlägt.

Hochschul-Autonomie

Unter diesem Schlagwort versteht die Wissenschaftsbehörde mehr Selbständigkeit für die Hochschulen bei der Auswahl von Studierenden und Personal sowie das Recht, die Höhe von Gehältern und etwaigen Studiengebühren selbst festzulegen. Mit der leistungsbezogenen Professorenbesoldung hat Hamburg bereits Bundesgesetz umgesetzt.

Einen wichtigen Schritt zu stärkerer Autonomie sehen die Hochschulen auch im Recht auf die Studierendenauswahl. Dräger hat ein Gesetz in der Schublade, nachdem ab Herbst die Hochschulen bei Fächern mit örtlichem Numerus Clausus statt des Abi-Durchschnitts Fächernoten und Motivationsnachweise wie Praktika und Ehrenamt als Auswahlkritierium anlegen dürfen. Wenn der Bundestag spätestens im Herbst die Reform der Zentralen Studienplatzvergabe (ZVS) abnickt, gilt dass auch verstärkt für die ZVS-Mangelfächer.

Wegen des zusätzlichen Verwaltungsaufwandes hält der Senator eine Bewerbungsgebühr für redlich. Dräger stellt sich neben schriftlichen Bewerbungen Auswahlgespräche durch die Professoren vor. „Die sind dafür nicht ausgebildet“, warnt der neue HAW-Präsident Michael Stawicki. Studierende rügen zudem, das neue Auswahlrecht erschwere den Hochschulzugang.

Förderung von Elite

Nur wenn sie freier agieren könnten, träten die Hochschulen in stärkeren Wettbewerb um die besten Köpfe, meint Senator Dräger. Den Plan der Bundesregierung für Spitzenunis lobt er denn auch, warnt aber davor, „Elite überzustülpen“. Die entwickle sich nur im Wettbewerb der Unis. Sie manifestiere sich in „exzellenter Forschung und Lehre und einem guten internationalen Ruf“. Die Uni-Leitung plädiert für die Förderung einzelner Fachbereiche statt ganzer Hochschulen. Zugleich mahnt sie, Elite-Förderung dürfe nicht zu Lasten der bestehenden Hochschulfinanzierung gehen.