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Archiv-Artikel

Müllentsorgung mit Öko-Siegel

Streit um ein Biomasseheizkraftwerk in Bergkamen. Anwohner klagen gegen seine Inbetriebnahme, denn sie halten die Holzverbrennung für gesundheitsgefährdend

VON NATALIE WIESMANN

Die Harpen AG will in Bergkamen ein Biomasse-Kraftwerk bauen, das Altholz verbrennt. Damit will das Dortmunder Energie-Unternehmen 20 Megawatt Strom und Fernwärme erzeugen. Der gesamte Stadtrat stimmte für den Bau, einschließlich der Grünen. Anwohner befürchten schädliche Emissionen und steigenden LKW-Verkehr. Vier von ihnen haben bei der Bezirksregierung Arnsberg Widerspruch eingelegt. Die erste Etappe haben die Umweltschützer verloren: Die Harpen AG darf unverzüglich mit dem Bau beginnen.

Die Inbetriebnahme können die Anwohner noch verhindern. „Wir sind in Wirklichkeit auch nicht nur vier“, berichtet Gerhard Helms von der Bürgerinitiative „Interessengemeinschaft Bürger und Umwelt“ (IGBU). Innerhalb von fünf Wochen hätte seine Initiative dreitausend Unterschriften gesammelt, 119 Bürger hätten Widerspruch eingelegt. Daraufhin habe die Bezirksregierung den Klägern einen Antwortbrief geschrieben und sie auf Kosten von 10 bis 500 Euro aufmerksam gemacht, die im Falle eines Scheiterns anfallen könnte.“ Die meisten waren dann eingeschüchtert“, sagt Helms.

Die Umweltschützer monieren auch das Brennmaterial, dass eine ansässige Holzverarbeitungsfirma liefern soll. Die Palette reicht von kaum behandelten Hölzern bis zu stark belasteten wie Bahnschwellen und Telegrafenmasten.

„Das haben wir genau prüfen lassen“, sagt Regina Müller-Hinz, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Das Biomasse-Kraftwerk sei schließlich ein grünes Projekt. Die Bestimmungen der Bundesimmissionsschutzverordnung würden eingehalten. Außerdem entstünden dreißig Arbeitsplätze: 15 beim Kraftwerk und 15 beim benachbarten Zulieferer, behauptet Müller-Hinz.

Helms ist auch Anwohner. „Die denken wohl, auf eine Anlage mehr oder weniger kommt es nicht an“, wettert er. So werde in Bergkamen Tiermehl verschwelt, im benachbarten Hamm stehe eine Müllverbrennungsanlage und in Lünen werde Sondermüll abgefackelt. „Bei der Verbrennung von stark behandelten Hölzern werden gesundheitsgefährdende Stoffe wie Schwefeldioxid, Dioxine, Furane und Quecksilber ausgestoßen“, Bürger Helms kennt sich aus. Besonders bedenklich findet er, dass das Kraftwerk in 500 Meter Luftlinie der Schulen gebaut wird, wo auch seinen beiden Kinder hingehen.

„Ich habe selbst zwei kleine Kinder“, verteidigt Bürgermeister Roland Schäfer (SPD) das Kraftwerk. Er habe die Bürger ausreichend informiert und Fragestunden eingerichtet. Für die Gesundheit der Bürger würden Online-Messungen am Schornstein vorgenommen und direkt an das Umweltamt in Lippstadt weitergeleitet. Auch seien regelmäßige Stichproben an den Hölzern vorgesehen.

„Die werden ganz sicher nicht jedes Holz einzeln überprüfen“, glaubt Helms. Wenn LKWs aus ganz Europa ihr Holz hierher karrten, würde man nur auf die Etikettierung achten und ab und an vielleicht ein paar Stichproben durchführen. „Hier wird einfach nur subventionierte Sondermüllentsorgung auf Kosten unserer Gesundheit betrieben“, Helms bleibt hoffnungslos. „Wir raten von der Verbrennung von stark belasteten Hölzern dringend ab“, sagt auch Greenpeace-Vertreter Jörg Feddern. Die erwünsche alternative Energie-Gewinnung würde dadurch völlig aufgehoben.