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Archiv-Artikel

„Lieber in Pakistan als hier“

Der grüne Rechtsexperte Jerzy Montag über die Haltung seiner Partei in der Antiterrorpolitik

taz: Herr Montag, Bayerns Innenminister Günther Beckstein begrüßt die neuen Vorschläge von Bundesinnenminister Otto Schily zur Abschiebung von Terrorverdächtigen. Sie auch?

Jerzy Montag: Ich bin nicht begeistert von diesen Vorschlägen, aber ich halte sie für richtig. Sie gehen an die Grenze dessen, was wir mittragen können, überschreiten diese aber nicht. Insofern sind Schilys Vorschläge eine vernünftige Antwort auf die Panikmache und den Populismus der Union.

Von den Grünen hieß es bisher, die bestehenden Gesetze reichten. Nun sind Sie doch für Verschärfungen?

Wir bleiben dabei: Ausweisungen auf einen bloßen Verdacht hin wird es mit uns nicht geben. Das sehen auch Schilys Vorschläge nicht vor. Aus unserer Sicht reicht die materielle Gesetzeslage aus, um wirklich gefährliche Ausländer ausweisen zu können. Wir haben aber von Anfang an gesagt: Wenn es Defizite im Vollzug gibt, sind wir bereit, darüber zu reden, wie wir sie beheben können.

Zählt dazu, dass nur noch eine Instanz – das Bundesverwaltungsgericht – über die Rechtmäßigkeit von Abschiebungen entscheiden soll?

So allgemein hat das Schily nicht formuliert. Es geht um dringende Fälle, in denen die nationale Sicherheit bedroht ist, weil es einen Terrorismusverdacht gibt, der – wohlgemerkt – auf nachweisbaren Tatsachen begründet ist. Ich halte es in der Tat für denkbar, dass man in solchen Fällen das Verfahren verkürzt.

Heißt das, für Ausländer genügt ein Rechtsstaat zweiter Klasse?

Davon kann keine Rede sein. Es gibt schon jetzt einige Rechtsgebiete, in denen es nur eine Instanz gibt; denken Sie an das Atomrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat in etlichen Entscheidungen erklärt, dass die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes nur einen Rechtszug verlangt.

Wer legt fest, wann die „nationale Sicherheit“ bedroht ist? Otto Schily?

Aus meiner Sicht ist es angemessen, dass man diese Kompetenz beim Bundesinnenministerium ansiedelt und nicht beim Ausländeramt von Hintertupfing. Es ist ganz klar, dass es dabei nur um einige wenige Fälle gehen kann. Wir werden einengende Kriterien finden, damit wir die Richtigen treffen.

Die Union spricht von 3.000 Personen, die abgeschoben werden sollten.

Anders als die Union reden wir nicht allgemein über „gewaltbereite Ausländer“ und auch nicht über Extremisten. Es geht um Menschen, bei denen Tatsachen die Prognose stützen, dass sie Terror planen. Und ob diese Prognose berechtigt ist, muss das Gericht prüfen.

Es ist inzwischen auch grüne Politik, gewaltbereite Terroristen einfach in andere Länder abzuschieben. Verlagert man damit die Gefahr nicht nur?

Anders als Herrn Beckstein ist es mir nicht egal, was in Pakistan geschieht. Langfristig geht es natürlich darum, den Terrorismus an den Wurzeln zu bekämpfen, indem wir uns für eine gerechtere Welt einsetzen. Diese Ziele entbinden uns aber nicht von der unmittelbaren Verantwortung, unsere Bevölkerung hier im Land zu schützen. Deshalb sage ich, wenn es um einen potenziellen Terroristen geht: Ja, es ist mir lieber, er ist in Pakistan als in Deutschland.

Nun gibt es aber Fälle, in denen nicht abgeschoben werden kann. Schily schlägt vor, diese Menschen notfalls in „Sicherungshaft“ zu nehmen …

Ich weiß nicht, was er damit meint. Unterbindungsgewahrsam gibt es schon jetzt. Einen weiter gehenden Freiheitsentzug ohne ganz konkrete, zu unterbindende Gefahrensituation kann ich mir nicht vorstellen. Eine generelle Schutzhaft wird es mit uns nicht geben.

INTERVIEW: LUKAS WALLRAFF