: „Den Fußball leben“
Gespräch mit dem Schalker Andreas Möller (35), der vor 17 Jahren in der Bundesliga debütierte und sich heute gegen Bayern verabschiedet
Interview MARCUS BARK
taz: Das Buch von Stefan Effenberg heißt „Ich hab’s allen gezeigt“. Welchen Titel wird Ihres haben?
Andreas Möller: Ich schreibe keins.
Warum nicht?
Ich brauche solch eine Art von Abrechnung oder Aufarbeitung meiner Karriere nicht.
Weil Sie alles erreicht haben?
Das muss man relativieren. Ich war bei sehr vielen Erfolgen dabei, aber nicht unmittelbar beteiligt. Bei der WM 1990 war ich nur Ergänzungsspieler.
Den Titel nimmt Ihnen trotzdem keiner.
Das ist richtig. Ich habe alle wichtigen Pokale in der Hand gehalten.
Warum haben Sie nie gesagt: Wo ich bin, ist der Erfolg!
Ich war immer ein Mannschaftsspieler. Deswegen habe ich ja auch bei den persönlichen Titeln wie „Fußballer des Jahres“ überhaupt nichts erreicht.
Ärgert Sie das?
Nein. Fußball ist ein Mannschaftssport, und ich habe mit allen Mannschaften Erfolg gehabt.
Trotz der Titel waren Sie nie ein Superstar.
Man bekommt als Fußballer ein gewisses Image, dieses Weichei- und Heulsusenimage. Das ist aber total widersprüchlich zu dem, was ich mit meiner Art, Fußball zu spielen, erreicht habe.
Was hat Sie mehr gestört: Heulsuse oder Weichei?
Das ist doch alles widerlegt. Entweder man mag den Spieler Andreas Möller, oder man mag ihn nicht, pfff.
Sie haben sich nie aktiv gegen dieses Image gewehrt.
Wie willst du das machen? Ich war nie der knallharte Manndecker. Gegen eine gewisse Stimmungsmache und Schubladenpolitik kannst du sehr wenig ausrichten.
Auf Schalke wurden Sie allerdings auch einmal als „Kampfsuse“ geadelt.
Das war eine Schlagzeile. Aber den Wechsel von Dortmund zu Schalke schätze ich schon hoch ein. Denn warum holt der Manager Rudi Assauer, der für Arbeit, echte Kerle, Kampf, für Einsatzwillen steht, einen Andi Möller? Das kann ich ihm gar nicht hoch genug anrechnen, dass er mir zum Ende meiner Karriere noch einmal die Chance gegeben hat, dieses Image zu revidieren.
Ihre Karriere begann in Frankfurt. Was fällt Ihnen zur Zeit bei der Eintracht ein?
Fußball 2000. Der technisch beste Fußball, den ich miterleben durfte. Mit Uwe Bein hatte ich einen der besten Mitspieler.
Wer waren die anderen?
Roberto Baggio bei Juventus Turin, und dann muss ich an die erfolgreiche Zeit bei Borussia Dortmund denken: Matthias Sammer, Stephane Chapuisat – ach, da könnte ich die ganze Mannschaft nennen.
Was bleibt von Turin außer Baggio in Erinnerung?
Das war für mich als 25-Jähriger genau der richtige Schritt zur richtigen Zeit. Ich habe das Ausland kennen gelernt, zwei Jahre bei einem Weltklasseverein gespielt und mit Giovanni Trapattoni einen der weltbesten Trainer gehabt. Ich glaube, dass Borussia Dortmund, wo ich dann wieder hingewechselt bin, davon profitiert hat.
Warum haben Sie nie bei Bayern gespielt?
Ich denke, dass ich für Bayern München nicht der geeignete Spieler war, sonst hätten sie mich ja geholt.
Gab es nie eine Anfrage?
Doch. Nach der Zeit bei Juventus war die Frage: Bayern oder Dortmund?
Warum wurde es wieder die Borussia?
Weil der Verein Nägel mit Köpfen gemacht hat.
Matthias Sammer hat Sie auf dem Platz häufig zusammengefaltet. Wie war und ist Ihr Verhältnis zu ihm?
Ich war der Optimist, der den Fußball leben wollte, und er hat immer auf die Gefahren hingewiesen. Er war manchmal der Bremser, der Nachdenklichere. Aber ich denke, wir haben uns ganz gut ergänzt. Das Verhältnis heute ist gut. Wir telefonieren ab und zu.
Hängen geblieben ist die Szene, als Sie sich nach dem entscheidenden Elfmeter im EM-Halbfinale 1996 in Wembley vor den englischen Fans aufplusterten.
Wenn ich das heute sehe, muss ich auch darüber lachen. Ich habe es intuitiv gemacht. Es war das Halbfinale, wir haben die Engländer im eigenen Stadion rausgehauen. Es war eine Pose, die zeigen sollte: Schaut her, wir Deutschen sind bei euch im Endspiel! Es war aber nichts Persönliches.
Nach 17 Jahren Fußball auf höchstem Niveau: Was hat sich geändert?
Ich bin schon damals in diese Zeit hineingekommen, wo die Athletik und die Fitness eine große Rolle gespielt haben. Taktisch hat sich viel geändert, die Anzahl der Spiele hat sich erhöht, der körperliche Stress hat zugenommen. Das Medieninteresse ist riesengroß. Der ganze Apparat hat sich unglaublich nach oben entwickelt.
Wer war Ihr bester Trainer?
Trapattoni ist eine große Persönlichkeit, mit Hitzfeld waren wir sehr erfolgreich. Aber auch mit Dragoslav Stepanovic hat es viel Spaß gemacht. Für mich ist es unerklärlich, warum er nach der Zeit in Frankfurt nicht mehr in die Erfolgsspur gefunden hat. Huub Stevens muss ich erwähnen, weil er mich schalten und walten ließ, wie ich wollte. Toll war aber auch die Zeit in den Jugend-Nationalmannschaften unter Berti Vogts.
Ist Berti Vogts ein Opfer der veränderten Medienlandschaft?
Ach, Berti Vogts ist kein Opfer.
Bei der Entlassung Frank Neubarths gab es Gerüchte über eine aktive Rolle von Ihnen.
Absoluter Unsinn. Wir wissen ganz genau, wer hier auf Schalke das Sagen hat.
Diese Bundesliga-Saison ist Ihre letzte. Was kommt dann?
Ich kann mir vorstellen, noch das ein oder andere Jahr im Ausland zu spielen. Einfach mal ganz ohne Druck, denn ich habe in den vergangenen Jahren auf alles verzichtet. Auf das ganze Leben. Auf Zigaretten. Auf Alkohol. Auf das Weggehen. Auf Urlaube.
Gehen Sie mit Mario Basler in die Wüste nach Katar?
Ich habe mit denen gesprochen.
Oder doch in die USA?
Da gibt es ein Angebot. Als Lebenserfahrung wäre das super, einfach toll.
Warum sagen Sie dann nicht zu?
Das ist keine Sache, wo man sich zurücklehnen kann. Ich habe mir das mal alles angesehen. Mamma Mia. Ich sage mal (lacht): Das ist noch härter als Bundesliga.
Und wenn Sie als Spieler ganz aufhören?
Ich will dem Fußball verbunden bleiben. Es muss auf jeden Fall etwas sein, wo ich selbst entscheiden kann. Also läuft es eigentlich auf Trainer oder Sportdirektor hinaus.
Welche Schlagzeile möchten Sie noch über sich lesen?
Mir wäre es ganz recht, wenn ich mit weniger großem Trallala verabschiedet werde. Ich habe genug Schlagzeilen gehabt.