Schily will Haft bei Verdacht

Unverständnis über Forderung von Bundesinnenminister Otto Schily nach „Sicherungshaft“ für Terrorverdächtige. Über dringende Ausweisungen will der Minister künftig selbst entscheiden

BERLIN taz ■ Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ist mit seiner Forderung nach einer „Sicherungshaft“ für terrorverdächtige Ausländer auf Unverständnis gestoßen. Politiker von SPD und Grünen wiesen darauf hin, dass es in akuten Gefahrensituationen bereits nach geltendem Recht die Möglichkeit eines „Unterbindungsgewahrsams“ von bis zu 14 Tagen gebe.

„Einen weiter gehenden Freiheitsentzug ohne ganz konkrete, zu unterbindende Gefahrensituation kann ich mir nicht vorstellen“, erklärte der Grünen-Rechtsexperte Jerzy Montag der taz. „Eine generelle Schutzhaft wird es mit uns nicht geben.“

Schily hatte härtere Regelungen für potenzielle Terroristen vorgeschlagen, die nicht abgeschoben werden können, weil ihnen Folter oder Todesstrafe droht. „Dann müssen wir Meldeauflagen, Aufenthaltsbeschränkungen und auch Sicherungshaft anordnen können“, sagte Schily der Berliner Zeitung. „Für diese Fälle müssen wir Regelungen schaffen, damit wir die Verdächtigen im Visier behalten können.“ Was Schily genau meinte, blieb bis gestern unklar. Aus dem Innenministerium gab es zunächst keine Stellungnahme.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, relativierte die Äußerungen des Innenministers. „Ich verstehe Schily so, dass er auf das bestehende Polizeirecht der Länder hinweisen will“, sagte Wiefelspütz der taz. Dieser Hinweis sei richtig, erklärte der SPD-Politiker. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) und seine Kollegen aus den unionsregierten Bundesländern sollten „erst einmal“ die Möglichkeiten nutzen, die ihnen das geltende Recht biete, statt ständig neue Verschärfungen zu fordern. „Gerade Herr Beckstein sollte nicht so viel reden, sondern handeln.“

Handeln möchte auch Schily – und zwar höchstpersönlich. Nach den Vorstellungen der SPD soll der Bundesinnenminister künftig eigene Kompetenzen im Ausländerrecht erhalten und Ausweisungen verfügen können, „wenn ein Ausländer die nationale Sicherheit beeinträchtigt oder wenn es Tatsachen gibt, die Anschluss an terroristische Verstrickungen nahe legen“, so Wiefelspütz zur taz. Bisher sind für Ausweisungen die Länder zuständig.

Als einzige Rechtsinstanz nach einer Entscheidung Schilys ist nach den Vorstellungen der SPD das Bundesverwaltungsgericht vorgesehen. Genehmigt das Gericht eine Abschiebung, hätte der Betroffene keine Möglichkeit mehr, dagegen juristisch vorzugehen. Wiefelspütz betonte, es gehe nur um „Einzelfälle“, bei denen man von einer besonderen Bedrohung ausgehen müsse. Dagegen haben auch die Grünen nichts einzuwenden. Wenn die „nationale Sicherheit“ bedroht sei, hält es auch Montag „in der Tat für denkbar, dass man in solchen Fällen das Verfahren verkürzt“. LUKAS WALLRAFF

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