: Schulreform macht kleine Läden dicht
Wenn Schulen die Kinder nachmittags betreuen, verlieren freie Schülerläden ihre Klientel. Sie fürchten jetzt ihr Ende
Das Stimmungsbarometer im Schülerladen „Donnerbagger“ ist rapide gefallen, seitdem der rot-rote Senat seine Pläne umsetzt, die Horte an die Schulen zu verlagern. Im Ostteil der Stadt war der Schulhort Standard, im Westteil gründeten engagierte Eltern die Schülerläden. 4.500 Schüler besuchen diese Nische, acht Prozent aller Hortkinder. Wird nun die Schule selbst aktiv, gehen den Läden die Schüler und das Geld aus. „Ab August 2005 ist Sense“, sagt Grit Bergemann von Donnerbagger bitter. Den Schülerladen in Wilmersdorf besuchen 16 Kinder. Im Kiez gibt es viele solcher kleinen Läden in der gleichen Situation.
Das Telefon beim Dachverband der Kinder- und Schülerläden (Daks) steht nicht mehr still. „Die Aufregung ist groß“, bestätigt Roland Kern vom Daks. Er befürchtet, dass die Qualität der Nachmittagsbetreuung sinken wird. Denn an den Schulen müssen nicht nur 16, sondern 200 Kinder nachmittags sinnvoll bei Laune gehalten werden, wobei eine Erzieherin 20 Kinder im Blick behalten soll. Darauf sind die kleinen Läden mit ihrer familiären Atmosphäre nicht eingerichtet.
Zwar sollen die freien Träger nicht völlig aus dem Hortbereich aussteigen: „Man wird nichts zerschlagen. Wir brauchen die Freien“, besänftigt die Sprecherin von Schulsenator Klaus Böger (SPD). Die offenen Ganztagsschulen können sich mit freien Trägern zusammentun, um den Nachmittag zu gestalten. Doch kommen dafür vor allem die großen Träger, die den gesamten Hortbereich abdecken können, in Frage. Der Daks empfiehlt den Schülerläden, sich zusammenzuschließen und als ein Träger aufzutreten.
Skeptisch ist Schönebergs Schulstadtrat Reinhard Naumann: „Das wird nicht funktionieren: einfach das Türschild wechseln und sagen, wir sind jetzt Kooperationspartner.“ Naumann ist Realist: „Für die kleinen Schülerläden ist absehbar das Ende eingeläutet.“
Unsicherheit regiert auch bei großen Hortanbietern wie der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Wenn die Grundschulen wie geplant bis 2006 verlässliche Halbtagsschulen werden, sind sie bis 13.30 Uhr für die Kinder zuständig. Damit würde die AWO einen Teil ihrer Betreuungszeit und rund ein Drittel ihrer Zuschüsse einbüßen. Doch Erzieherinnen, die für dreieinhalb Stunden täglich bezahlt werden, sind schwer aufzutreiben. Gegenwärtig verhandelt die Liga der Wohlfahrtsverbände mit dem Senat über eine Rahmenregelung. Diese soll im April stehen. ANNA LEHMANN