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Archiv-Artikel

Unter den Wolken rumort es

Die Fluglärmstudie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) bagatellisiert Kritikern zufolge die Langzeitfolgen von Schlafstörungen. Sie befürchten Aushebelung des Nachtflugverbots

VON Thomas Spolert

„Dass wir von allen Seiten Schläge bekommen, war doch schon vor der Studie klar“, gibt sich Mathias Basner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gelassen. Das DLR hatte in der vorletzten Woche nach fünf Jahren seine nach eigenen Angaben „weltweit größte Studie zur Untersuchung der Wirkung von Nachtfluglärm auf den menschlichen Schlaf“ vorgelegt. Das überraschende Ergebnis der Untersuchung von knapp 200 Menschen in 2.200 Nächten im deutschlandweit am höchsten mit Fluglärm belasteten Gebiet rund um den Köln-Bonner Flughafen: Der Schlaf wird geringer beeinträchtigt, als bisher allgemein angenommen. Im Labor verkürzte sich die Schlafzeit der Testpersonen bei Lärm nur um zwei Minuten.

Danach hagelte es scharfe Kritik. Die Kölner Grünen bewerteten die Fluglärmstudie als „inhaltlich völlig überschätzt“. Die Gesundheitsschädlichkeit von Fluglärm sei anhand der Studie nicht zu relativieren. Das Sozialwerk des Evangelischen Stadtkirchenverbandes und der Kölner Katholikenausschuss äußerten in einer gemeinsamen Presseerklärung ihr „Befremden“ über die Ergebnisse der DLR-Studie. Pfarrer Uwe Becker vom Sozialwerk sprach von einer „Bagatellisierung menschlichen Leids im Gewand zweifelhafter wissenschaftlicher Seriosität“.

Nur gesunde Testpersonen

Die wissenschaftliche Seriosität in Zweifel zu ziehen, sei eine „Verleumdung“, ärgert sich Mathias Basner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, der an der 3,5 Millionen Euro teuren DLR-Studie mitgearbeitet hat. Zwar sei das DLR eine Einrichtung für Luft- und Raumfahrt und nicht dagegen. Dennoch werde „möglichst objektiv“ geforscht.

„Wir sind nicht repräsentativ“, räumt der Wissenschaftler ein. Aber die Studie müsse „vernünftig“ sein. Im Sinne der Bevölkerung seien daher nur „schlafgesunde Personen“ ausgewählt worden. Genaue Daten zur umstrittenen Fluglärmstudie wolle das DLR Anfang April auf seiner Internet-Seite veröffentlichen, so Basner.

Bis dahin will die Lärmschutzgemeinschaft Köln-Bonn sich zur DLR-Studie nicht äußern. Wolfgang Hoffmann, stellvertretender Vorsitzender der Fluglärmgegner: „Derzeit können wir seriös nicht Stellung nehmen.“ Es fehle die „Munition“, weil noch keine Daten vorliegen, erklärt er das Schweigen der Initiative.

Dagegen hält der Siegburger Umweltmediziner Arno Lange mit seiner Kritik an der Studie nicht hinterm Berg: „Es wurden nur gesunde Personen zwischen 18 und 65 Jahren ausgesucht. Damit schließen die Macher der DLR-Studie mehr als ein Drittel der Bevölkerung im Rhein-Sieg-Kreis aus.“ Außerdem sage die Studie nur etwas zu den akuten Wirkungen des Fluglärms, aber nichts zu den Langzeitwirkungen, bemängelt Internist Lange. „Ich habe viele Patienten in meiner Praxis, die unter Fluglärm leiden“, berichtet er. Viele von ihnen litten unter Schlafstörungen und klagten über schlechte Konzentration und Belastbarkeit. Magenbeschwerden und Störungen des Blutdruckverhaltens seien weitere Auswirkungen durch den nächtlichen Fluglärm, so Arno Lange.

Neben der medizinischen gibt es auch eine politische Dimension. Das DLR wolle aus seiner Studie für die anstehende Novellierung des Fluglärmgesetzes neue Nachtfluglärmkriterien ableiten, erklärt Lange. „Die Studie gibt das nicht her“, sagt der engagierte Mediziner. „Dies wäre die Quadratur des Kreises!“

Derweil freut sich der Sprecher des Köln-Bonner Flughafens, Walter Römer. „Die Studie bestätigt unsere Politik“, verkündet er vollmundig. Römer lobt den aktiven und passiven Schallschutz des Köln-Bonner Airports. Seit Oktober 2002 gäbe es eine Lärmklassifizierung, so dass nur noch leise Flugzeugtypen, die auf der Bonusliste des Bundesverkehrsministeriums stehen, in der Zeit der Nachtruhe zwischen 22 und 6 Uhr fliegen.

Schallschutzfenster

Außerdem halte der Flughafen für Schallschutzfenster und -belüfter 85 Millionen Euro bereit. Fast die Hälfte der Mittel sei von betroffenen Hauseigentümern im Nachtschutzgebiet des Köln-Bonner Flughafens abgerufen. Insgesamt seien inzwischen in dem Gebiet bereits 17.500 Häuser mit Schallschutzfenstern ausgestattet worden.

Die Lärmbelästigung habe sich verringert, betont der Flughafensprecher. Die Messwerte in 2003 lagen alle unter denen von 1997. Auch die Zahl der Flugbewegungen sei 2003 um zehn Prozent gesunken. Doch das Geschäft mit den Günstig-Airlines in Köln-Bonn brummt. Mit dem Sommerflugplan 2004 weiten die boomenden Billigflieger ihr Angebot kräftig aus. Allein Germanwings fliegt sieben neue Ziele ab Köln-Bonn an.

Billigflieger boomen

Die Low-Cost-Carrier Easyjet und Air Polonia kommen neu hinzu. Im Sommer diesen Jahres könne es zu einer leichten Zunahme der Flugbewegungen kommen, gibt Walter Römer zu. Allein in der Nacht nimmt die Belastung der Bevölkerung durch zusätzliche Flüge nach seinen Angaben um 3 Prozent zu. Insgesamt steigt die Zahl der Starts und Landungen im Sommer um 5 Prozent. „Aber die Zahlen liegen deutlich unter denen von 1997“, versichert der Flughafensprecher.

„In 1997 hatten wir auch ein relatives Hoch an Flügen“, kommentiert Wolfgang Hoffmann von der Lärmschutzgemeinschaft Römers Aussagen. Zwischen 1998 und heute sei der Lärm-Messwert um 1,3 Dezibel gesunken, dies sei aber keine signifikante Verringerung des Lärms.

Der Fluglärmgegner befürchtet indes, dass die Lärmbelastung auch ohne das anwachsende Billigfliegergeschäft eher noch zunimmt. „In 2006 will der Zusteller UPS die neuen Frachthallen eröffnen und sein Frachtaufkommen verdoppeln. Lufthansa Cargo will zudem seinen Chinaverkehr erweitern“, so Hoffmann. „Das kann nur mit noch größeren und mehr Flugzeugen gemacht werden.“