: Ein Exorzist, der nicht viel spricht
Dank eines 2:0 gegen den 1. FC Kaiserslautern darf Hertha BSC Berlin als Bundesligafünfter in der kommenden Saison doch wieder im Uefa-Cup mitspielen. War Trainer Huub Stevens erstes Jahr damit gut oder schlecht? Es war ein Interregnum
von MARKUS VÖLKER
Huub Stevens ist ein wortkarger Mann. Im Saisonverlauf ist seine Auskunftsfreudigkeit immer mehr eingeschlafen. Man munkelt, der Trainer werde sich irgendwann nur noch gestisch mitteilen. Nach dem Saisonfinale gegen den 1. FC Kaiserslautern hätte sich Stevens schon einmal in der Kunst der extremen Lakonie erproben können. Mit einem nach oben gereckten Daumen oder dem Wörtchen „Passt“ hätte er seine Versuche, alles und nichts zu sagen, in neue Regionen treiben können. Doch auch am Saisonende fühlte er sich seinem Arbeitgeber Hertha BSC verpflichtet, der es nicht goutieren würde, wenn der Chefcoach partiell verstummen würde, schon gar nicht gegenüber den Berichterstattern der Zeitungshauptstadt Berlin.
Also sprach der maulfaule Huub davon, dass er mit der Chancenauswertung nicht zufrieden gewesen sei. Mehr als ein 2:0 sei drin gewesen. Dann erging sein Dank an „Ewald“, den Kollegen aus Kaiserslautern. „Er hat seine sportliche Pflicht getan“, sagte Stevens. Dass Ewald Lienen offenbar ein aufrechter Sportsmann ist, konnte man den kollektiven Crescendi im Olympiastadion entnehmen. Knapp 50.000 Hertha-Fans, viele von ihnen mit Knopf im Ohr, feierten die Tore von Borussia Mönchengladbach gegen Uefa-Cup-Konkurrent Werder Bremen in einer Lautstärke, als hätte Marcelinho nach einem Dribbling über den gesamten Platz seine feine Sololeistung mit einem spektakulären Fallrückzieher vollendet. Hertha BSC bedurfte der dringenden Hilfe, um nicht in der jämmerlichen Trostrunde UI-Cup über eine verkorkste Saison nachdenken zu müssen.
Angesprochen auf das recht versöhnliche Ende einer stotterigen Saison, wusste Stevens kurz und bündig zu antworten: „Ich bin zufrieden mit dem Spiel heute.“
Darin tauchte ein Spieler namens Nando Rafael auf, der zwei schöne Tore erzielte. Stevens legte dessen Biografie in der von Informationen überquellenden Auskunft offen: „Er ist ein 19-jähriger Junge, der Herthaner ist und heute zwei Tore geschossen hat – ich war zufrieden mit ihm.“
Um das Bild abzurunden, ließe sich noch anführen, dass Rafael aus der Talentschmiede von Ajax Amsterdam kommt, einen Vertrag bis 2006 besitzt und ein hochbegabter Angreifer ist. Sein Auftritt schlug gewissermaßen eine Brücke zwischen alter und neuer Hertha.
Vor dem Spiel wurden solch verdiente Fachkräfte wie Jolly Sverrisson, Michael Preetz, René Tretschok, Stefan Beinlich und Rob Maas verabschiedet. Auch Nene muss gehen. Über einen Abgang von Alex Alves wird spekuliert. Dafür kommen Fredi Bobic und Artur Wichniarek. Rafael sieht der Zukunft mit der Bescheidenheit eines (noch) stillen Talents entgegen. „Ich will Leistung bringen, außerdem kann ich von den Jungs auch noch viel lernen.“
Der Generationenwechsel wird Hertha gut tun. Die Alten, Jürgen Röbers Adepten, haben abgedankt, was es Stevens viel leichter macht, Hertha BSC vom Geist seines Trainervorgängers zu exorzieren, der trotz seiner physischen Absenz durch die Ritzen des Olympiastadions zu spuken schien.
Stevens ist kein Trainer, der die Konkursmasse seines Vorgängers verwaltet. Er möchte formen und gestalten und selbst ein System erschaffen. Dabei sind Altlasten nur hinderlich, weswegen Stevens erstes Jahr allenfalls als Interregnum zu betrachten ist, in dem die Mächte Röbers mir denen von Stevens kollidierten und eine Hertha erschufen, die sich allzu oft in dem Kampf zwischen Vergangenheit und Zukunft verschliss.
Jetzt ist der Weg frei. Stevens sollte unbeschwerter arbeiten können. Seine Fähigkeiten als Exorzist sind nicht mehr gefragt, sondern seine gestalterische Wirkmacht. Das dürfte dem Holländer entgegenkommen. Vielleicht wird er dann auch wieder gesprächiger.