: EU will Flüchtlingsschutz verbessern
EU-Innenminister erzielen ersten Durchbruch bei gemeinsamer Asylgesetzgebung. Auch nichtstaatlich Verfolgte genießen zukünftig Asyl. Deutschland hat seine lange Blockade gegen die EU-Richtlinie damit aufgegeben. CDU warnt Otto Schily
VON DANIEL SCHULZ
Die EU-Innenminister einigten sich gestern auf Mindesstandards zur Anerkennung von Asylbewerbern. Das verlautete aus Diplomatenkreisen. Beim Konzept des sicheren Drittstaates konnten sich die Innenminister bei ihrem Treffen in Brüssel allerdings nicht einigen.
Dass sich die Minister auf Mindeststandards verständigt haben, wurde vor allem dadurch möglich, dass Deutschland seine Blockade gegenüber der EU-Richtlinie aufgab. Am Nachmittag hatte die CDU Schily noch davor gewarnt, der Richtlinie zuzustimmen. „Ein Zuwanderungsgesetz ist für uns ohne Zuwanderungsbegrenzung nicht denkbar“, sagte Hartmut Koschyk, innenpolitischer Sprecher der Union. Vor dem Treffen hatte Schily klar gemacht, dass er den Mindesstandards nur zustimmen werde, wenn europaweit einheitliche Regeln für den Zugang zu Sozialleistungen eingeführt werden. Sonst würde Deutschland mit seinem großzügigen Sozialsystem zu viele Flüchtlinge anziehen, sagte Schily.
Vor der Einigung hatte Deutschland in zwei wesentlichen Punkten eingelenkt. Der erste ist die Frage der nichtstaatlichen Verfolgung. Für die deutsche Regierung gilt bislang nur der als anerkannter politischer Flüchtling, der von einem Staat verfolgt wird. Ähnlich urteilte die Regierung auch bei drohender Folter. Ging die Bedrohung von einem nichtstaatlichen Akteur wie den Taliban aus, dann gab es kein Asyl, sondern nur die Duldung. Das aber sei „ein Nicht-Status, mit dem hier lebende Menschen extrem benachteiligt sind“, sagt Karl Kopp, Europa-Referent von Pro Asyl. Geduldete dürfen ihren Wohnort nicht nach Belieben wechseln, bekommen schwer Arbeit und haben kaum eine Chance auf Bildung. Rot-Grün wird mit der Anerkennung des so genannten subsidären Schutzes auch von Beschneidung bedrohte Frauen und von Drogenkartellen Verfolgte als Flüchtlinge anerkennen.
Ein zweiter Streitpunkt war die Frage, welche Rechte anerkannte Flüchtlinge erhalten sollen. In den Verhandlungen forderten viele EU-Staaten, dass die Betroffenen künftig ihren Wohnort nach Belieben wechseln können. Sie sollten nach zwei bis drei Jahren gleiche Sozialleistungen wie Inländer beziehen und uneingeschränkt Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Dagegen aber hat sich die rot-grüne Bundesregierung erfolgreich gesperrt. Sie handelte die geplanten Rechtsnormen zu Kann-Bestimmungen herunter. Die Folge: Über Bestimmungen und Einschränkungen dieser eigentlich einheitlichen Flüchtlingsrechte entscheiden weiterhin die Nationalstaaten. „Es ist traurig, dass eine rot-grüne Regierung das fast im Alleingang in der EU so durchgedrückt hat“, sagt Pro-Asyl-Referent Kopp, „unter der CDU hätte die Haltung zum EU-Asyl nicht repressiver sein können.“
Derzeit leben etwa 230.000 Geduldete in Deutschland. Wie viele davon in den Genuss eines Flüchtlingsstatus kämen, war weder vom Innenministerium noch von Pro Asyl zu erfahren.
Während die Minister sich bei den Mindeststandards für Asylbewerber einigen konnten, gibt es über die Asylverfahrensrichtlinie weiter Streit. Danach kann Asylsuchenden, die über ein so genanntes sicheres Drittland kommen, die Einreise verweigert werden. Außerdem hätten Asylsuchende keinen Anspruch, das Ende des Verfahrens in dem Land abzuwarten, in dem sie den Asylantrag gestellt haben. Deshalb forderten amnesty international (ai) und der Europäische Flüchtlingsrat ECRE von der EU, die Richtlinie zu verwerfen.
Der UN-Flüchtlingshochkommissar Ruud Lubbers warnte am Montag vor drohenden Verstößen gegen die Genfer Menschenrechtskonvention. Innenminister Schily sagte, es gehe darum, kostspielige Asylverfahren in Deutschland zu vermeiden. Den „wirklich Verfolgten“ würde geholfen.